Wolfgang Koszics : Tod von Reemtsma-Entführer Thema bei „Aktenzeichen XY... ungelöst“
Hamburger Ermittler glauben nicht an einen Selbstmord – mit einem Aufruf bei „Aktenzeichen XY... ungelöst“ soll der mysteriöse Tod Wolfgang Koszics aufgeklärt werden.
Hamburg | Noch immer sind die Millionen verschwunden – und noch immer ist rätselhaft, wie der Reemtsma-Entführer Wolfgang Koszics ums Leben kam. Eine Aufarbeitung des Falls bei „Aktenzeichen XY... ungelöst“ (Mittwoch, 20.15 Uhr im ZDF) soll endlich Licht in den mysteriösen Fall bringen. Und vielleicht bringt das die Ermittler auf dem verschollenen Lösegeld näher.
Koszics war 1996 an der Entführung des Hamburger Millionen-Erben Jan Philipp Reemtsma beteiligt. Er gehörte zu der vierköpfigen Bande um Thomas Drach, die den Sozialwissenschaftler in einem Verlies in Garlstedt bei Bremen festgehalten hatte. Nach 33 Tagen ließen die Täter Reemtsma für umgerechnet rund 15,3 Millionen Euro frei. Vom Großteil des Geldes fehlt bis heute jede Spur. |
Koszics' Leiche war am 10. Februar 2014 im Meer vor der portugiesischen Algarve entdeckt worden. Erst ein Jahr später war dies bekannt geworden. Die portugiesische Polizei vermutet, dass der 72-Jährige von einer Klippe gestürzt ist und geht von einem Selbstmord aus, das Landeskriminalamt Hamburg hält jedoch ein Tötungsdelikt für möglich. Die Staatsanwaltschaft führt ein Todesermittlungsverfahren. „Wir sind daran interessiert, das Verfahren abzuschließen und zu klären, ob es ein Fremdverschulden gab.“
Koszics war Ende Mai 1996 in der spanischen Stadt Murcia festgenommen worden. Bei seiner Festnahme hatte er versucht, sich das Leben zu nehmen. Am 14. Februar 1997 verurteilte ihn das Hamburger Landgericht zu einer Haftstrafe von zehneinhalb Jahren.
Koszics war zuletzt in Hamburg-Steilshoop gemeldet. Am 6. Februar 2014 soll er nach Sagres in Südportugal gereist sein. Nach portugiesischen Medienberichten landete er in Faro und fuhr mit einem Mietwagen die 115 Kilometer nach Sagres. Dort soll er sich ein kleines Appartement gemietet haben. Vier Tage später war er tot. Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung soll Koszics beim Sturz von der Klippe erhebliche Mengen Alkohol im Blut gehabt haben. Die Staatsanwaltschaft kommentierte das nicht.
Koszics war vor dem spektakulären Entführungsfall als Straßenräuber aktenkundig, Spitzname „Faruk, der Dicke". 1996 verschleppte er gemeinsam mit Haupttäter Thomas Drach und Helfer Peter Richter den Hamburger Multimillionär Jan Phillipp Reemtsma vor dessen Blankeneser Villa. Im Prozess berichtete er launig, er habe dabei mehrere Duftwässer aufgelegt, um das Opfer zu verwirren. Auch war er an mindestens zwei Versuchen zur Lösegeldübergabe beteiligt.
Nach Zahlung der Rekordlösegeldsumme von 30 Millionen D-Mark hatte sich der Drach-Komplize als Geldwäscher betätigt und rund eine Million Mark in Devisen umgetauscht.
Dass sich Hamburgs Strafverfolger für den Tod des Entführers im fernen Portugal so sehr interessieren, hat vor allem einen Grund: Auch fast 20 Jahre nach der Tat ist mehr als die Hälfte des erpressten Geldes noch immer verschwunden. Die wichtigste Frage, die sich die Ermittler stellen: Starb Koszics im Zusammenhang mit den fehlenden Millionen?
Die Chronologie der Reemtsma-Entführung
Thomas Drach und sein Komplize Wolfgang Koszics beginnen, Jan Philipp Reemtsma zu observieren. Koszics mietet in Garlstedt bei Bremen ein Haus, das später als Geiselversteck dient.
Reemtsma wird von seinem Grundstück in Hamburg-Blankenese entführt. Die Kidnapper hinterlassen eine Lösegeldforderung über 20 Millionen Mark.
Die Erpresser melden sich mit einem Brief, dem ein Foto Reemtsmas beiliegt. Nachdem die ersten Lösegeldübergaben scheitern, erhöhen die Entführer ihre Forderung auf 30 Millionen in Mark und Schweizer Franken.
In Krefeld gelingt der dritte Versuch zur Geldübergabe. Die Entführer entkommen mit den Millionen.
Reemtsma wird nach 33 Tagen Geiselhaft bei Hamburg freigelassen.
In einem Haus in der Nähe von Bremen wird das Kellerverlies entdeckt, in dem Reemtsma festgehalten wurde. Als Tatverdächtige werden Peter Richter aus Leverkusen, Wolfgang Koszics aus Krefeld und Thomas Drach aus Köln gesucht.
Koszics wird in Südspanien verhaftet.
Richter wird in Malaga festgenommen.
Koszics und Richter werden in Hamburg zu zehneinhalb beziehungsweise fünf Jahren Haft verurteilt.
Drach wird in einem Hotel in Buenos Aires festgenommen. Ihm wird Passfälschung vorgeworfen.
Ein Gericht in Buenos Aires ordnet an, dass sich Drach in Argentinien wegen Urkundenfälschung verantworten muss.
Der letzte noch flüchtige mutmaßliche Täter, Piotr Laskowski, stellt sich der Polizei. Er wird am 2. September zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Richter wird auf Bewährung entlassen.
Argentiniens Staatspräsident Fernando de la Rua stimmt der Auslieferung Drachs zu.
Drach trifft in Hamburg ein und wird kurz darauf in die Hamburger Untersuchungshaftanstalt am Holstenglacis überstellt.
Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage vor der Großen Strafkammer des Hamburger Landgerichts. Die Anklage gegen Drach lautet etwa auf erpresserischen Menschenraub. Die mögliche Höchststrafe dafür beträgt 15 Jahre Haft.
Vor dem Hamburger Landgericht beginnt der Prozess gegen Drach als mutmaßlichen Kopf der Entführerbande. Drach gesteht seine Beteiligung an Reemtsmas Verschleppung.
Nach 14 Hauptverhandlungstagen wird Drach zu 14 Jahren und 6 Monaten Haft verurteilt. Fast das gesamte Lösegeld bleibt bis heute verschwunden.
Der mit internationalem Haftbefehl gesuchte Lutz Drach, Bruder von Thomas Drach, wird von spanischen Sicherheitskräften in Madrid zu verhaftet. Er soll seinem Bruder beim Verstecken der Beute und der Geldwäsche behilflich gewesen sein.
Lutz Drach wird nach Deutschland ausgeliefert und kommt in Aachen in Untersuchungshaft.
Thomas Drach wird wegen Widerstands gegen einen Vollstreckungsbeamten zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, womit sich seine Haftstrafe verlängert.
Lutz Drach wird vor dem Landgericht Aachen wegen Geldwäsche zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
Thomas Drach muss sich wegen Widerstands gegen Justizbeamte und versuchter Nötigung erneut vor dem Hamburger Landgericht verantworten und wird noch am selben Tag zu einer zusätzlichen Haftstrafe von drei Monaten und zwei Wochen verurteilt.
Lutz Drach wird im neu aufgerollten Geldwäsche-Prozess vor dem Aachener Landgericht zu einer höheren Freiheitsstrafe von nun sechseinhalb Jahren verurteilt.
Lutz Drach wird aus dem Gefängnis entlassen.
Thomas Drach muss sich wegen versuchter Anstiftung zur räuberischen Erpressung erneut vor dem Hamburger Landgericht verantworten.
Wolfgang Koszics soll nach Sagres in Südportugal gereist sein. Nach portugiesischen Medienberichten landete er in Faro und fuhr mit einem Mietwagen die 115 Kilometer nach Sagres.
Die Leiche von Wolfgang Koszics wird im Meer vor der portugiesischen Algarve entdeckt. Portugiesische Behörden gehen von Selbstmord aus.
Das Landeskriminalamt Hamburg erfährt über die deutsche Botschaft, dass es sich bei dem Toten um den Reemtsma-Kidnapper handelt. Die Behörde ist zuständig, da Koszics zuletzt in Hamburg-Steilshoop gemeldet war.
Die Staatsanwaltschaft rollt den Fall neu auf. Sie zweifelt an der Selbstmord-Theorie. Ermittlungen zufolge soll Kosics in seiner Haftzeit Morddrohungen erhalten haben.
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