Dänemark : Wie die Grenz-Barriere wächst
Trotz massiver Kritik aus Deutschland: Dänemark hat mit dem Bau seines Wildschweinzauns an der Grenze begonnen.
So laut wird es bis zum Herbst entlang der gesamten deutsch-dänischen Grenze werden. Mit einem Presslufthammer-ähnlichen Geräusch lässt Dänemark die Pfähle für seinen umstrittenen Wildschweinzaun in die Erde rammen. In der Nähe des Autobahn-Übergangs Ellund hat die Naturschutzbehörde des Nachbarlands die Methode zum Bau der Barriere vorgestellt.
Gegen 10.10 Uhr am 28. Januar stand das erste Zaun-Element - mitten in einer weiten Koppellandschaft, in der das Auge bisher nicht ansatzweise festmachen konnte, wo Deutschland endet und Dänemark anfängt. Optisch brutalst möglich markiert in dieser leeren Umgebung jetzt ein anderthalb Meter hohes Gitter das Aufeinanderprallen zweier Staatsgebiete.

Neun große Löcher bleiben
Von der Flensburger Förde bis in die Gegend am Hindenburgdamm nach Sylt soll der Trennriegel reichen. Wo größere Straßen und die Bahnlinien Flensburg-Kolding sowie Niebüll-Esbjerg die Grenze queren, sind neun mehrere Meter breite Löcher im Zaun vorgesehen. Die größten davon, etwa am Autobahnübergang Ellund, mit 20 Metern zu beiden Seiten der Straße.
Das soll dafür sorgen, dass Rehe oder Hirsche die Grenze nicht unfallträchtig unmittelbar auf der Fahrbahn kreuzen. Für kleinere Säugetiere wie etwa Hasen, Füchse, Otter, Biber oder Dachse sind mindestens alle 100 Meter 20 mal 20 Meter große Löcher im Zaun vorgesehen. Auf Teilstrecken mit besonderen ökologischen Verbindungslinien soll dies sogar alle 50 Meter der Fall sein, um die Ausbreitung der Arten sicherzustellen.

Fleisch-Export von vier Milliarden Euro jährlich
Mit dem Schutz vor der Schweinepest begründen die bürgerliche dänische Regierung und die rechtspopulistische Dänische Volkspartei ihren Beschluss für den 1,50 Meter hohen Zaun. Dänemark zählt zu den führenden Schweinefleisch-Exporteuren der Welt. Pro Jahr setzt es mit diesen Ausfuhren vier Milliarden Euro um, davon 2,53 Milliarden innerhalb der EU und 1,47 Milliarden außerhalb.
Der liberale Landwirtschaftsminister Jakob Ellemann Jensen fürchtet, dass der Export in Länder außerhalb der EU umgehend auf Eis liegt, sollte die Schweinepest in Dänemark ausbrechen.
Nicht der erste Abschottungsversuch
Zugleich ist der Bau nach der umstrittenen Wiedereinführung von Grenzkontrollen Anfang 2016 der zweite Schritt, der Abstand zum Ausland schafft. In diesem Frühjahr stehen in Dänemark Parlamentswahlen an. Die dortigen Parteien überbieten sich, wie schon traditionell bei Wahlkämpfen nördlich der Grenze, mit Versprechen einer abermals härteren Gangart gegenüber Ausländern.
Angesichts dieses hochpolitischen Umfelds beobachtet denn auch ein Großaufgebot von etwa 40 Journalisten, Kameraleuten und Fotografen aus Deutschland, Dänemark und sogar britischer Medien den Baustart.

Dabei müht sich der dänische Staat, das für die Grenzregion einschneidende Ereignis als unspektakulären, behördlich-technischen Akt daherkommen zu lassen. Kein Politiker weit und breit bei dem Termin. Die Staatsmacht vertritt der Leiter der für die Planung verantwortlichen regionalen Naturschutzbehörde, Bent Rasmussen. An seiner Seite: der Chef der Zaunbau-Firma „Ser Hegn“ aus dem mitteljütländischen Fredericia, Henrik Hallenberg Rasmussen mit acht Arbeitern.
Keiner der beiden Rasmussens hält eine Rede. Wer etwas wissen will, kann sie ansprechen, und dann geben sie, auch auf Englisch und Deutsch, geduldig Auskunft zu Einzelheiten.
Man müsse den Zaun „im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen“ sehen, wirbt Bent Rasmussen um Verständnis. Etwa mit der ohnehin kontinuierlichen Regulierung des Wildschwein-Bestandes in Dänemark. Oder im Zusammenspiel mit Wildkameras, die die unweigerlichen Lücken des Zauns an den Grenzübergängen und Bahnstrecken überwachen. „Sollten dort Wildschweine beobachtet werden, kann man sie zielgenauer bejagen“, erhofft sich Bent Rasmussen.
Nur, wenn es um die Sinnhaftigkeit des Zauns geht oder darum, was dies für die deutsch-dänische Kooperation bedeute, gibt es keine Antwort. „Dazu habe ich keine Meinung“, äußert der Behördenchef und verweist auf seinen Beamtenstatus.
Parteiübergreifender Protest aus dem Landtag
Die schleswig-holsteinische Landespolitik erneuerte am Tag des Baubeginns ihre massiven Vorbehalte.
Mogens Dall vom dänischen Bauernverband äußert beim Pressetermin nahe Ellund zwar Verständnis dafür, dass es südlich der Grenze keine Begeisterung gibt. Dennoch verteidigt der Schweineproduzent aus Gravenstein auf dem Nordufer der Flensburger Förde das Bollwerk gegen Wildschweine als „notwendig“.
Dall zieht einen Vergleich mit einer Feuerversicherung: „Die schließt man auch ab, obwohl nur ein Bruchteil aller Häuser in Brand geraten. Dieser Zaun ist unsere Versicherung“
Bauleiter Henrik Hallenberg Rasmussen vom Aufstellerbetrieb Ser Hegn sagt: „Zumindest für unsere Firma ist es ein schöner Tag.“ Umgerechnet knapp vier Millionen Euro umfasst der Auftrag.
Was die Barriere tatsächlich bewirkt – diese Einschätzung will auch der Bauunternehmer anderen überlassen: „Ich kann nur sagen, es ist ein äußerst stabiler Zaun." Übrigens sei der Zaun in Deutschland entwickelt und produziert worden, setzt Hallenberg Rasmussen hinzu.
Erfahrung mit verschiedenen Baugründen sammeln
Einen Monat lang will die Baufirma nun an sechs verschiedenen Stellen Erfahrungen mit dem Setzen der Pfähle sammeln – je nachdem, ob der Boden sandig, lehmig, steinig, trocken oder nass ist. „Erst dann wissen wir, wie die Endfassung unseres Konzepts aussieht“, sagt Hallenberg Rasmussen. Normalerweise errichtet er Zäune auf Betriebsgrundstücken mit einheitlichem Terrain.
Sind die Restfragen geklärt, sollen zwei Teams mit fünf bis sechs Arbeitern die Barriere vollenden. Wo genau sie in welcher Reihenfolge eingesetzt werden, ist noch offen.
Und wenn dann im November Feierabend ist – wie lange wird der Zaun bleiben?
Beim Abschied nach gut einer Stunde gibt es dann noch einen Extra-Versuch, der Presse den Eingriff in Natur, Landschaft und Region schmackhaft zu machen: Die Baufirma verteilt Päckchen mit Fotos von Hochleistungszäunen außen drauf und Lakritz innendrin. Ein Marketing-Giveaway, so versucht harmlos als gäbe es die Aufregung um das Bauprojekt gar nicht.

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