Leben in Ostdeutschland JRG-Schüler feiern mit ihrer Geschichte vom zivilen Widerstand in DDR-Zeiten umjubelte Premiere
Was es mit der „Nachricht in der Flasche“ auf sich hat, erfahren die Zuschauer ganz zum Schluss: Dann erst schiebt Erzähler Levi Schafhauser den Brief in eine Weinflasche, seine Lebensbeichte als Vincent Rosch (gespielt von Leif Schmidt), dem aufmüpfigen DDR-Teenager des Jahres 1982.
Bis dahin läuft eine eigentlich recht einfache Geschichte über die Bühne im Johann-Rist-Gymnasium (JRG). Ein Jugendlicher entflieht seiner sozialistisch-spießigen Familie und findet seinen Platz in einer von der Polizei misstrauisch beobachteten Rocker-Kommune, die sich in ein verfallenes altes Haus eingenistet hat. Der Musterungsbescheid der NVA (Nationale Volksarmee der DDR) macht der Idylle ein Ende. Und irgendwann ist der junge Rekrut sterbenskrank. „Ich habe mir ein Loch in diese Zeit geträumt und bin darin verschwunden“, hinterlässt Vincent seinem kleinen Sohn, damit der später einmal seinen Vater kennenlernen kann.
Ein trauriges Stück? Dazu gibt es viel zu viele herrliche Gags, über die man herzerfrischend lachen kann. Eine öde Politbelehrung? Dagegen sprachen bei der Premiere die vielen spontanen und stürmischen Beifallsausbrüche im voll besetzten Theatersaal. Also eher Comedy? Dazu konnte man zu oft eine Gänsehaut bekommen, etwa wenn DDR-Uniformierte fahnenschwingend durch die Zuschauerreihen marschierten oder wenn man dem Treiben auf der Bühne zuschaut, wo ein Individuum systemkonform getrimmt wird.
Eine Geschichte aus jüngerer Vergangenheit, die uns heutigen aber schon so fern geworden ist, dass die Oberstufen-Theater-AG sicherheitshalber ein Lexikon des sozialistischen Einheitsjargons in das Programmheft aufgenommen hat. „Die Schüler wollten etwas Komödiantisches zum Nachdenken, keineswegs aber Klamauk“. So erinnern sich die Regisseurinnen Bettina Bergen und Cordelia Kuchendorf an die Vorgaben bei der Stückauswahl.
33 Mitspielernamen zählt das Programmheft auf. Dazu 15, die hinter der Bühne im Einsatz sind. Was sie leisten, wird höchsten Theateransprüchen gerecht. „Neulinge sind das ja auch nicht wirklich“, erklärt Bergen die schauspielerische Qualität. Denn die Oberstufen-Mimen haben schon in ihren Unter- und Mittelstufenjahren im Rampenlicht gestanden.
Heute, Sonnabend, um 19.30 Uhr verfassen die jungen Leute ihre „Nachricht in der Flasche“ zum letzten Mal. Ab 19 Uhr ist Einlass in die JRG-Aula. Fünf Euro kostet ein Ticket für Erwachsene, drei für Schüler. Billigpreise, die nur dank einer großzügigen Finanzspritze vom Schulverein und der Kostümleihgaben vom Deutschen Schauspielhaus, vom Theater Wedel und nicht zuletzt vom Sozialkaufhaus möglich sind.