Shogun, Shushuko, Shakira und Shara: Zwei Jungbullen und zwei Kühe aus Kropper Aufzucht werden Teil eines europäischen Artenschutzprojektes.
Sie haben braunes Fell, werden bis zu zwei Meter groß, drei Meter lang und eine Tonne schwer: Wisente waren einst in weiten Teilen Europas beheimatet. Auch hier in der Region, wie Knochenfunde in Schacht-Audorf belegen, erklärt Hildegard Widowski vom Verein Weidelandschaften. Zwar sind die Tiere schon vor hunderten von Jahren aus unseren Breiten verschwunden – doch seit der Verein 2007 einen Wisentpark im ehemaligen Kropper Munitionslager aufbaute, erlebt das europäische Wildrind ein Comeback.
Der Park widmet sich der Zucht der Wisente, um die Art zu erhalten. „Pro Jahr haben wir bis zu fünf Kälber“, sagt Hildegard Widowski. Die Nachzuchten werden an Artenschutzprojekte in Europa abgegeben – letztes Jahr zogen drei Tiere nach Spanien, dieses Jahr gingen je zwei Jungbullen und Kühe in die Niederlande. Sie schätzt, dass es heute weltweit knapp 5000 Wisente gibt – „60 Prozent davon lebt in Freiheit“. Deutschland habe mittlerweile den drittgrößten Wisentbestand.
Dabei sei die Tierart nach dem Ersten Weltkrieg in der freien Natur ausgerottet gewesen, sagt die Artenschutzreferentin. Nur in Zoos, fürstlichen Tiergärten und Tierparks wie Hagenbeck in Hamburg hätten Wisente überlebt. „Bis 1928 wurden die Bestände gesichtet. Es gab damals noch 54 Exemplare – aber nur zwölf eigneten sich für die Zucht“, erzählt sie. Diese wiederum spalten sich in zwei Linien auf: Es gibt Flachlandwisente, die auch in Kropp gezüchtet werden, und die Mischform der kaukasischen Wisente, die vom letzten Bergwisent namens „Kaukasus“ abstammen. Alle heutigen Wisente sind Nachfahren dieser zwölf Zuchttiere. Dennoch gebe es wenig Inzucht-Auffälligkeiten, meint Hildegard Widowski: „Einzig das Immunsystem ist ein großes Problem.“ Träten Krankheiten auf, wären davon alle gleich betroffen.

In Kropp leben 14 Tiere in zwei Gehegen. Der natürliche Lebensraum der großen Pflanzenfresser sind Laub- oder Mischwälder mit Lichtungen. Die Geest sei mager, so Widowski: „Die Fläche verträgt nicht mehr Tiere.“ Die Zukunft des Zuchtprojekts sei aber langfristig gesichert, da der Verein Weidelandschaften 120 der insgesamt 186 Hektar großen Fläche für den Wisentpark gekauft hat. Mit seinem hohen Außenzaun sei das ehemalige Munitionslager perfekt geeignet – Wisente sind Fluchttiere und können sehr hoch springen. „Zwei Meter sind keine Höhe“, sagt Widowski.
Das erste von bisher 16 Kälbern kam 2008 zur Welt und ist heute eine der fünf Mutterkühe. Die Namen beginnen alle mit „Sh“ für Schleswig-Holstein. Eigentlich wollte man den Nachzuchten „Kr“ als erste Buchstaben verpassen, aber es gebe bereits mehrere Zuchtstätten mit diesen Anfangsbuchstaben, erklärt sie. Die vier Wisente, die zuletzt in die Niederlande abgegeben wurden, haben die klangvollen Namen Shogun, Shushuko, Shakira und Shara. Sie sind zwischen zwei und sechs Jahre alt und werden zukünftig auf zwei unterschiedlichen Naturschutzflächen leben. Shogun soll zudem Zuchtbulle werden, so Widowski.
Zwei weitere Nachzuchten will sie noch vermitteln. Die ersten zweieinhalb Jahre würden die Kälber in der Herde mitlaufen, mit drei Jahren sei die Geschlechtsreife erreicht. Da man zwei Gehege habe, könne man die Gruppen immer mischen und etwas steuern, erklärt die gelernte Landschaftsplanerin.
Bevor die Tiere abgegeben werden, lasse man sich vom Wisent-Zuchtbuch beraten, ob sie genetisch in die neue Herde passen, sagt sie. Danach würden sie eingefangen und untersucht. Das gehe nur unter Vollnarkose, alles andere sei laut Widowski zu gefährlich. „Wisente sind nicht aggressiv, aber völlig unberechenbar.“ Das Betäubungsmittel sei so stark, dass der Tierarzt erst eine Spritze mit dem Gegenmittel aufziehe – nicht für das Tier, sondern für sich selbst im Notfall.
Die vier Kropper Wisente bestanden alle Untersuchungen und reisten im Viehanhänger in die Niederlande. In diesem Moment „ist mir das Herz ein bisschen schwer, aber ich freue mich auch total“, so Widowski.
Info
Der Wisentpark Kropp ist bis Oktober jeden Sonntag von 11 bis 17 Uhr geöffnet.