Weitere schwere Vorwürfe gegen den Leiter der städtischen Bauaufsicht: Betroffene sprechen von Einschüchterung und Erpressung.
Sie fühlten sich eingeschüchtert, bedroht und erpresst – von dem Mann, der im Schleswiger Rathaus die Bauaufsicht leitet. Denn weil sie als Anwohner seinen baulichen Unternehmungen im Wege standen, haben sie es mit ihm zu tun bekommen. So spielt der Bauaufsichtsbeamte hier und da eine zweifelhafte Doppelrolle im Stadtgeschehen – zum einen als städtischer Beamter, zum anderen als privater Betreiber von Bauprojekten.
Beides wird anscheinend miteinander verquickt – zu seinem eigenen Vorteil und zulasten Dritter. Das haben uns Betroffene berichtet, nachdem der Artikel zum Streit um das vom Bauaufsichtsbeamten und dessen Ehefrau geplante Bauprojekt in der Langen Straße 36 erschienen war. Zeugen erklären gegenüber den SN, dass er sogar Verkaufsgespräche mit Interessenten seiner Immobilie in seinem Dienstzimmer im Bauamt geführt habe. Einer von ihnen hat sogar den Bürgermeister sowie Kommunalpolitiker darauf aufmerksam gemacht – jedoch keine Reaktion aus dem Rathaus erhalten.
Nachweisbar ist auch: Der Bauaufsichtsmitarbeiter hat häufiger Mails in eigener privatwirtschaftlicher Sache von seinem Dienst-Account mit Rathaus-Adresse versendet – sodass beim Empfänger der Eindruck entstehen konnte, es stehe die behördliche Bauaufsicht der Stadt hinter dem Schreiben.
Vertrauensstellung missbraucht?
Missbraucht also der Mitarbeiter von der Bauaufsicht immer wieder die Vertrauensstellung, die vom öffentlichen Amt ausgeht? Was sagt sein Dienstherr Arthur Christiansen zu den weiteren nun bekannt gewordenen Vorwürfen? Noch vor Kurzem hatte der Bürgermeister in der Entgegnung auf unseren ersten SN-Artikel zu dem Thema von einem nur „einmaligen und überbewerteten Vorfall“ im Zusammenhang mit seinem Mitarbeiter gesprochen.
„Ist Ihnen das Ausmaß der Verstrickung von Dienstlichem und eigenen Profit-Interessen Ihres Mitarbeiters in der Bauaufsicht tatsächlich nicht bekannt gewesen?“, fragten die SN jetzt noch einmal im Rathaus nach. Bürgermeister Arthur Christiansens Antwort dazu fällt knapp aus: „Zu den von Ihnen vorgebrachten Äußerungen werde ich mich nicht äußern.“ Unbeantwortet bleibt auch die Nachfrage, ob er es denn als Dienstherr verantworten könne, wenn sein Mitarbeiter durch dessen Position in der städtischen Bauaufsicht direkt oder indirekt Druck auf einige ihm unbequeme Schleswiger Bürger ausübe.
So konfrontierten die SN den Bürgermeister mit einem Vorgang, der bereits etwa eineinhalb Jahre zurückliegt.
Massive Einschüchterung
Der jedoch die betroffene Schleswiger Bürgerin (Name der Redaktion bekannt) bis heute in Aufregung versetzt, wenn sie nur daran denkt und für uns ihre Gerichtsakten öffnet. „Ich war so fix und fertig und hatte oft schlaflose Nächte deswegen“, sagt sie. Auch Anwaltskosten sind ihr damals entstanden, weil sie sich gegen die – wie selbst ein Außenstehender erkennt – völlig unsinnigen Behördenauflagen der Bauaufsicht sowie den massiven Einschüchterungsversuchen von dort zur Wehr setzen musste.
Was passiert war? Zwischen ihrem 2004 gebauten Reihenhaus und einer neuen Wohnanlage nebenan, die der Bauaufsichtsmitarbeiter und seine Ehefrau errichten ließen, befindet sich eine Art Hoffläche. Auf der wollte das Ehepaar eine Carportanlage für die neuen Eigentümer, an die es die Wohnungen verkaufte, bauen. Diese Carports aber sollten nach Wunsch des Bauaufsichtsbeamten nahe der Hauswand der betroffenen Anwohnerin platziert werden. Da sie dies nicht wollte, um weiterhin einen Zugang zu ihrem ohnehin recht schmalen Gartengrundstück zu behalten, verwies sie auf ihr Wegerecht an der Stelle. Es folgte dann ein „Angebot“ von ihm: Sie könne ja auch ein Carport für 3000 Euro von ihm erwerben, wenn sie seinem Ansinnen zustimmen würde. Nein, wozu?, war ihre Reaktion, sie brauche und wolle überhaupt kein Carport. Doch er blieb beharrlich: Dann könne sie eben einen Stellplatz für umsonst haben, wenn sie dafür ihr Wegerecht einschränke. Nein, danke, meinte die Anwohnerin abermals und glaubte, die Sache sei damit erledigt.
Doch jetzt wurde richtig Druck aufgebaut – und gedroht und erpresst.
Denn die Ehefrau des Bauaufsichtsmitarbeiters stellte die abenteuerliche Forderung auf, dass die Anwohnerin die zwei Giebelfenster ihres Reihenhauses zur Carport-Hoffläche hin zumauern müsse. Wenig später kam zusätzlich Post von der Schleswiger Bauaufsicht (am 21. November 2014). Darin wurde die gleiche Forderung mit harschen Formulierungen noch mal wiederholt: „Sie werden hiermit aufgefordert, unverzüglich, jedoch bis 31. Januar 2015, diese beiden Fenster entsprechend den Anforderungen des Paragrafen 31, Landesbauordnung, (Brandwände) zu schließen, beziehungsweise auf dem Nachbargrundstück die erforderliche Baulast zu erwirken.“ Durch den Einbau der Fenster habe sie ordnungswidrig gehandelt, da es sich um „eine grenzständige Gebäudeabschlusswand handelt“, hieß es weiter. Und als Hinweis dazu: „Die Begehung einer Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis 500 000 Euro geahndet werden (§82 Abs. 3LBO).“ Ein Behörden-Schreiben, das vordergründig Paragrafen-Correctness zeigt, hintergründig aber eine bodenlose Frechheit darstellt.
Wer so ein Schreiben vom Schleswiger Bauamt erhält, der braucht zunächst einmal eines: starke Nerven – und Hilfe.
Die Seite fehlte in der Bauakte
Die betroffene Anwohnerin sagt, sie habe sich nach diesem Brief „regelrecht elend gefühlt“. Vor allem habe sie nicht verstanden, was die städtische Bauaufsicht überhaupt von ihr will: „Ich habe doch das Haus weder genehmigen lassen noch selbst gebaut. Erst zwei Jahre nachdem es gebaut war, bin ich als Mieterin mit meinen Kindern eingezogen und habe es erst später gekauft, als es angeboten wurde.“ Dennoch wollte sie nun der Sache auf den Grund gehen. Sie ging zum Bauamt, sozusagen in die Höhle des Löwen, und bat um Einsicht in die Bauakte ihres Reihenhauses. „Ich wollte sehen, was es mit der Genehmigung der beiden Giebelfenster unserer Kinderzimmer auf sich hat.“ Die Akte bekam sie von einer Mitarbeiterin des Bauamtes sogar mit nach Hause. Aber: Ausgerechnet die Seite mit den Aussagen über die Giebelfenster fehlte. Seltsam, seltsam.
Doch der „Bauamts-Terror “ ging weiter. Besonders schlimm für die Besitzerin des Reihenhauses: Sie fand nirgends Rat oder gar Beistand von Schleswiger Behörden. Bei der Stadtverwaltung nicht, an die sich gewandt hatte, und bei der Kreisverwaltung auch nicht, zu der sie dann ging. Man sei leider nicht zuständig, sagte der Kreis ihr, sie möge sich an die Kommunalaufsicht des Landes wenden. In ihrer Not tat sie das, doch in Kiel sagte man ihr, es brauche Zeit, um den Fall der Schleswiger Bauaufsicht genau zu überprüfen. Diese Zeit aber hatte sie angesichts der Androhungen der Bauaufsicht nicht, und so sah sie sich gezwungen, einen Fachanwalt einzuschalten. Der legte schließlich erfolgreich Widerspruch ein gegen die Verfügung der Bauaufsicht.
So wurde der Bescheid der Bauaufsichtsbehörde aufgehoben. Bürgermeister Arthur Christiansen selbst unterzeichnete das Schreiben vom 24. Februar 2015, in dem eingeräumt wird, dass die Kosten des Verfahrens von der Stadt zu tragen sind. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Bauaufsichts-Leiter, die der Anwalt der Anwohnerin ebenfalls eingefordert hatte, sah der Bürgermeister jedoch als erledigt an.
Obwohl die Betroffene nun Recht bekommen hatte, ging das natürlich auch für sie nicht ohne Anwaltskosten ab.
Der Bauaufsichtsleiter, den die SN ebenfalls um seine Stellungnahme zu den Vorkommnissen baten, ließ uns durch seine Ehefrau per Mail erklären: „Mein Mann hat zu keinem Zeitpunkt die besagte Nachbarin bedroht. Für eine geringfügige Verlegung ihres Wegerechtes wurde ihr ein Carportstellplatz angeboten. Nachdem sie dieses nicht wollte, hatte mein Mann die Carportanlage entsprechend umgeplant. Hier wurde zu keinem Zeitpunkt Druck ausgeübt.“
Vor dem Hintergrund des ganzen Falles fragten wir den Bürgermeister: „Sehen Sie durch das Verhalten eines einzelnen Behördenmitarbeiters nicht die Gefahr, dass der gute Ruf der ganzen Stadtverwaltung beschädigt wird – gerade was Fairness und Anstand angeht?“
Christiansen geht in seiner schriftlichen Antwort auf die Begriffe „guter Ruf“, „Fairness“ und „Anstand“ gar nicht ein. Er räumt lediglich ein, dass es ein Widerspruchsverfahren gegen die bauaufsichtliche Verfügung gegeben habe und dass die Stadt 500 Euro für Anwaltskosten habe zahlen müssen. Aber, betonte er, „der genannte Kollege von der Bauaufsicht hat nicht die Verfügungen selbst unterschrieben, sondern ein anderer Mitarbeiter.“ Bei dieser Person, die der Bürgermeister meint, handelt es sich um eine Halbtagskraft bei der Bauaufsicht.
Starke Zweifel, ob bei der städtischen Bauaufsicht alles nach Recht und Gesetz läuft, hegt auch ein ander Schleswiger Bürger, der sich an die SN-Redaktion gewandt hat. Sein Vertrauen in diese Behörde sei aufgrund eigener Erfahrungen nachhaltig zerstört worden, erklärt er und schildert, wie aufreibend es für ihn als Neubesitzer eines Hauses gewesen sei, bauordnungsrechtliche Klarheit zu gewinnen in einer Auseinandersetzung mit seinem Nachbarn. Dabei ging es um Baugenehmigungsverfahren für den Anbau seines Nachbarn. Weil er davon überzeugt ist, dass in Schleswig Klüngelei seitens der Bauaufsicht mit im Spiel ist, habe er sich an Bürgermeister und Kommunalpolitiker gewandt – aber bis heute nicht mal eine Antwort erhalten, meint er. Offen spricht er gegenüber den SN aus, dass er vor diesem Hintergrund „Korruption in der Bauaufsichtsbehörde vermutet“. Er habe das Landeskriminalamt über die Vorgänge informiert, sagt er.
Unterdessen gehen auch die Auseinandersetzungen um das Bauprojekt Lange Straße 36 in die nächste Runde. Dort will der Bauaufsichtsbeamte (oder offiziell seine Ehefrau) einen viergeschossigen Gebäudekomplex für Mietwohnungen errichten. Wohnungseigentümer, die dahinter wohnen, haben wegen der Dimensionen und der Dachform des Neubauprojekts Klage vor dem Verwaltungsgericht eingereicht. Und was unternimmt der Bürgermeister, der die Baugenehmigung für das Projekt selbst unterzeichnet hat? Im Moment nichts, er möchte er sich offenbar aus der Sache raushalten und die gerichtliche Entscheidung abwarten. Auf SN-Nachfrage erklärte Christiansen dazu lediglich: „Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, werde ich keine Auskünfte erteilen.“ Nur: Inzwischen haben Anwohner Gesprächs- und Kompromissangebote gegenüber dem Bürgermeister gemacht, gegebenenfalls würden sie sogar die Klage zurückziehen, heißt es. So könnte Christiansen, wenn er wollte, alle Beteiligten an einen Tisch bitten, um eine außergerichtliche Lösung herbeizuführen.
Doch stattdessen wartet man im Rathaus offensichtlich lieber darauf, was die Richter sagen werden.