Patrick Breyer protestierte gegen die Wahl des Rechnungshof-Vizes – und kassierte einen Ordnungsruf von Klaus Schlie.
Im Streit um einen Ordnungsruf des Landtagspräsidenten Klaus Schlie (CDU) hat Piraten-Fraktionschef Patrick Breyer vor dem Landesverfassungsgericht einen Erfolg errungen. Der Präsident habe in das verfassungsrechtlich garantierte Rederecht des Abgeordneten eingegriffen, stellte das Gericht am Mittwoch in seinem Urteil fest.
Breyer hatte am 14. Dezember 2016 im Landtag kritisiert, dass Spitzenposten an Landesrechnungshof und Landesverfassungsgericht ohne öffentliche Ausschreibung vergeben würden. Er bezweifelte, dass der für den Rechnungshof zur Wahl stehende Kandidat für diese Position am besten qualifiziert sei „oder dass man auch nur versucht hat, die Person mit der besten Qualifikation zu finden“.
Ein Video zeigt die Rede im Landtag:
Schlie hatte darauf mit einem Ordnungsruf reagiert. Er nahm ihn auch nach Breyers Einspruch nicht zurück. Daraufhin zog der Abgeordnete vor das Verfassungsgericht. „Dieses Urteil ist ein Sieg für die Unabhängigkeit der höchsten Kontrollorgane in unserem Land“, sagte Breyer. „Spitzenjobs an Landesrechnungshof und Landesverfassungsgericht dürfen keine aufzuteilende Beute der Parteien sein, denn sie sollen Regierung und Parlament gerade kontrollieren.“
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Wenn Abgeordnete im Plenum die „Ordnung des Hauses“ (etwa durch Provokation, Beleidigung, Drohung oder andauerndes Stören des Redners) verletzen, riskieren sie einen Ordnungsruf. Dieser ist ein Mittel, um Abgeordnete zu verwarnen. Im äußersten Fall kann ihnen sogar das Wort entzogen werden, oder sie können von der Plenarsitzung ausgeschlossen werden. Das Recht dazu haben der Landtagspräsident und seine Stellvertreter. Sie leiten die Sitzungen des Plenums.Der zur Ordnung gerufene Abgeordnete kann gegen einen Ordnungsruf spätestens bis zum folgenden Werktag Einspruch erheben.
Das Urteil des Gerichts ist mit 6:1 Stimmen ergangen. Nach Ansicht von Vizepräsident Hans-Joachim Schmalz hatte Schlie den Ordnungsruf zurecht erteilt, weil Breyer die parlamentarische Ordnung verletzt habe. Durch eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten seiner Fraktion habe er eigenmächtig mit der parlamentarischen Übung gebrochen, bei Wahlen in politische Ämter kein Wort zur Person des Vorgeschlagenen zu verlieren.
Was bisher geschah:
Breyer Schlie
In der Dezembertagung des Landtags kritisierte Breyer, dass Spitzenjobs an Landesrechnungshof und Landesverfassungsgericht ohne öffentliche Ausschreibung vergeben würden. Vielmehr entscheidet die Politik hinter verschlossenen Türen, wer diese Positionen besetzt. Das Wahlverfahren sei ein „Postenschacher“ unter den Fraktionen.Speziell richtete sich sein Protest gegen die anstehende Wahl des Rechnungshof-Vizes. Breyer bezweifelte, dass der SPD-nahe Kandidat Bernt Wollesen für diese Position am besten qualifiziert sei „oder, dass man auch nur versucht hat, die Person mit der besten Qualifikation zu finden“. Vielmehr würden die höchsten öffentliche Ämter nach Parteienproporz untereinander aufgeteilt. Schlie erteilte Breyer daraufhin einen Ordnungsruf und erklärte: „Ich finde dieses Verhalten diesem Hause gegenüber und vor allen Dingen auch gegenüber der Person in höchstem Maße unwürdig. Sie beschädigen hier Persönlichkeitsrechte.“
Breyer scheitert mit einem Einspruch gegen den Ordnungsruf. In seiner Protestnote schrieb Breyer zuvor, er könne nicht nachvollziehen, welche seiner Äußerung mit welcher Begründung die parlamentarische Ordnung verletzt haben soll.Die Fraktionen wiesen den Einspruch mit der Begründung zurück, dass zuvor einvernehmlich verabredet wurde, keine Debatte zur Wahl zu führen. Dies sei auch mit Zustimmung der Piraten geschehen. Dies sei das übliche Vorgehen, um „zu wählende Person nicht durch eine parlamentarische Debatte in ihrem Ansehen zu beschädigen“, wie es in einer Bekanntmachung Schlies heißt. Breyer habe sich mit seinem Beitrag nicht zum Abstimmungsverhalten, sondern entgegen aller Abmachungen „zur Sache“ geäußert.
Breyer reicht gegen die Maßregelung Klage beim Landesverfassungsgericht ein – ein in der Parlamentsgeschichte einmaliger Vorgang. „Ich lasse mit den Mund nicht verbieten“, erklärt Breyer dazu. Man akzeptierte keinen Maulkorb dafür, dass man die Verteilung öffentlicher Ämter nach Parteienproporz anprangere. „Die wahre Schande des Hauses ist, dass seit Jahrzehnten so verfahren wird und Kritiker mundtot gemacht werden sollen.“
Das Landesverfassungsgericht kündigt eine Entscheidung über die Klage noch vor der Landtagswahl an. Laut Gericht soll über die Frage, ob Schlie Breyer nach dessen Rede im Landtag ein Ordnungsruf erteilt werden durfte „noch in dieser Legislaturperiode und in der derzeitigen Besetzung des Gerichts entschieden werden“. Die mündliche Verhandlung wurde für den 21. April 2017 angesetzt.
Das Verfassungsgericht gibt dem Piraten-Fraktionschef Patrick Breyer recht.
(mit dpa)