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Juan Carlos von Spanien Schwebefähre in Rendsburg: Zu ihren Fans zählt sogar ein König

Von Erich Thiesen | 06.02.2016, 00:15 Uhr

Die Schwebefähre war mehr als 100 Jahre ein Musterbeispiel an Zuverlässigkeit. Seit einem Unfall Anfang Januar liegt sie still.

Mehr als 100 Jahre zählte die Schwebefähre zu den zuverlässigsten Verkehrsmitteln in Deutschland. Im vergangenen Jahr kratzte ein technischer Fehler an ihrem guten Ruf, und seit der Havarie vom 8. Januar fährt sie gar nicht mehr. Warum die „Eiserne Lady“ etwas Besonderes ist und sogar den früheren spanischen König Juan Carlos begeistert, schildert unser Autor Dr. Erich Thiesen zum Abschluss unserer Aktion „Rettet die Schwebefähre“.

Sie ist eine „Eiserne Lady“, wie das Rendsburger Wochenblatt sie dereinst respektvoll nannte, als sie noch einem simplen eisernen Käfig ähnelte. Und sie kann sich sogar rühmen, dass nach 2003 kein Geringerer als Juan Carlos I., damals Spaniens König, als Schirmherr aller noch intakten Hängefähren die schützende Hand über sie hielt. Im Herbst jenen Jahres nämlich trafen sich im baskischen Portugalete am Golf von Biskaya nahe Bilbao im Scheinwerferlicht der illuminierten, schon 1893 erbauten Puente de Vizcaya, der „Mutter aller Schwebefähren“, die Bürgermeister der Schwebefähren-Orte sowie die Denkmalschützer der Fördervereine, um den „Weltverband der Schwebefähren“ zu gründen. Zuvor hatte Juan Carlos im Zarzuela-Palast, dem Wohnsitz der Königsfamilie bei Madrid, die Schwebefähren-Delegationen, darunter die damaligen Bürgermeister von Rendsburg und Osterrönfeld, Andreas Breitner und Jörg Sibbel, empfangen und die Schirmherrschaft übernommen.

 

„Bewahrt diese Brücken, die Schwebefähren gehören der ganzen Menschheit“, so der Appell des Monarchen damals an die Gäste aus Argentinien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien, die am Ort der ältesten Schwebefähre die anderen sieben vertraten, drei in Großbritannien (Newport, Middlesbrough, Warrington), zwei in Deutschland (Rendsburg, Osten) und jeweils eine in Frankreich (Rochefort) und Argentinien (Buenos Aires). Während die spanische Schwebefähre, vor Ort auch Puente Colgante genannt, bereits in die Welterbeliste der Unesco aufgenommen wurde, streben die anderen, ermutigt durch das spanische Beispiel, gemeinsam die Erlangung des Unesco-Status’ an. Die beiden deutschen Schwebefähren-Standorte – die zweite Schwebefähre überquert noch täglich den idyllischen Elbe-Nebenfluss Oste im niedersächsischen Ort Osten – haben sich zu diesem Zweck zum „Arbeitskreis Deutsche Schwebefähren“ zusammengetan und bemühen sich, nicht nur als Verkehrswege, sondern auch als touristische und technikhistorische Attraktion stärker wahrgenommen zu werden.

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Info

Die Rendsburger Schwebefähre dient fast so lange wie die Eisenbahnhochbrücke dem Personen- und Güterverkehr über den Nord-Ostsee-Kanal/Kaiser-Wilhelm-Kanal. Seit gut 102 Jahren trägt sie ihre Lasten täglich rund siebzig Mal im Viertelstundentakt über den Kanal hin und her. Die der Eisenbahnhochbrücke, an der sie hängt, und damit auch ihr im Jahr 1988 zugesprochene Anerkennung als Kulturdenkmal hat sie sich also redlich verdient. Und von der Auszeichnung als „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst“ durch die Bundesingenieurkammer für die Gesamtanlage beim hundertjährigen Jubiläum der Hochbrücke 2013 darf sich die Schwebefähre getrost ein gehöriges Stück abschneiden. Über den gern geäußerten Verdacht, sie sei veraltet, ist sie erhaben.

Rendsburger Schwebefähre – eine Ideallösung

Am 2. Dezember 1913 nahm sie den Betrieb auf, übrigens mit einem Fahrplan, der seit damals unverändert ist. Für ihr Entstehen gibt es vor allem zwei Gründe. Sie konnte mit wenig Mehraufwand an Material und Arbeit (die anderen genannten Fähren hängen an Extrakonstruktionen) an das schon vorhandene Tragwerk angehängt werden, das zugleich die Gleise aufnahm für den Fahrwagen der anzuhängenden Fahrbühne – eine Ideallösung, die die Rendsburger Schwebefähre zu einem unvergleichlichen Unikum und Publikumsliebling gemacht hat. Denn „für den verhältnismäßig geringen Verkehr zwischen Osterrönfeld und Rendsburg“, schrieb das „Rendsburger Tageblatt“ am 20. Juni 1913, „wäre selbstverständlich ein derartiges Bauwerk niemals in Frage gekommen, wenn nicht die einmal vorhandene Hochbrücke den Gedanken an die Schwebefähre recht nahe gelegt hätte.“ Und eine Schwebefähre ließ sich, anders als ein Fährschiff, weitgehend unabhängig von den Witterungsverhältnissen betreiben.

Zum anderen verdankt die Schwebefähre ihre Existenz einem Akt der „Wiedergutmachung“ gegenüber der Gemeinde Osterrönfeld: Durch die für den Bau der Eisenbahnhochbrücke nötige Errichtung von Erddämmen und Stahlrampen verlor Osterrönfeld den innerörtlichen Bahnhof. Dieser musste fast zwei Kilometer entfernt auf dem Bahndamm am südlichen Brückenende neu angelegt werden. Um die Dorfbevölkerung für diesen beschwerlicheren Weg zu entschädigen, entschied sich die Kaiserliche Kanalverwaltung für die Fährlösung.

Die Kollision der Schwebefähre mit einem Frachter am 8. Januar dieses Jahres war erst ihre zweite Havarie. Eine Webcam zeichnete den Unfall 2016 auf:

In der Sturmnacht des 13. Januar 1993 konnten ihre Bremsen sie nicht mehr in der Parkposition halten. Vom Sturm losgerissen und führerlos trieb sie über den Kanal, wo sie mit dem einzigen auf dem Kanal in Fahrt befindlichen Schiff, dem holländischen Frachter „Linda Mareijke“, kollidierte. Damals verlief der Unfall glimpflich. Es entstanden nur geringe Sachschäden.