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Inklusion in Pinneberg Bildungsministerin Britta Ernst besucht die Schülerschule

Von Kira Oster | 08.03.2016, 10:00 Uhr

Am Waldenauer Marktplatz gibt  es  schon seit Mitte der 1980er Jahre ein Konzept, das heute gefragter ist denn je: Inklusion.  Grund genug für Bildungsministerin Britta Ernst (SPD),  der Schülerschule in Pinneberg einen Besuch abzustatten.

Drei Stunden hat  sie sich gestern dafür Zeit genommen. Von 10 bis 13 Uhr hospitierte die Bildungsministerin in Waldenau und sprach mit Schülern und Lehrern. „Die Schülerschule ist bekannt und berühmt  für ihr interessantes Konzept. Sie stand schon lange auf meiner Liste von Schulen, die ich einmal besuchen möchte“,  sagte  die 55-Jährige.

Die UN-Behindertenrechtskonvention hat 2008 „Inklusion“ als ein Menschenrecht für Menschen mit Behinderungen erklärt. Inklusion stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „Enthalten sein“. In einer inklusiven Gesellschaft sollen alle Menschen selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Das bedeutet: Menschen mit Behinderungen müssen sich nicht mehr integrieren und an die Umwelt anpassen. Stattdessen ist ihre Umwelt von vornherein so ausgestattet, dass alle Menschen gleichberechtigt leben können – egal wie unterschiedlich sie sind. Das Ideal der Inklusion ist, dass die Unterscheidung „behindert“ und „nichtbehindert“ keine Relevanz mehr hat. Der Begriff „Inklusion“ entstand erstmals in den 1970er-Jahren in den USA, als Mitglieder der Behindertenbewegung eine volle gesellschaftliche Teilhabe einforderten. Obwohl damit alle Lebensbereiche gemeint sind, hatten ihre Forderungen zunächst vor allem Auswirkungen auf den Bildungsbereich. In Deutschland werden die Sonderschulen  seit  2009 abgeschafft. Kinder mit Lernproblemen sollen nicht mehr an speziellen Schulen ausgegrenzt werden. Begründung: Die Aussonderung bewirke die Ausgrenzung und Distanz, indem behinderte Kinder von durchschnittlichen Kindern ferngehalten werden. Stattdessen sollen  sie seither an Regelschulen unterrichtet werden. Die Förderung erfolgt dann bei Bedarf durch Sonderschullehrkräfte von Förderzentren aus allen allgemein bildenden Schulen.

Einmal die Woche besuche Ernst eine Schule in Schleswig-Holstein. Diese Woche  also die Schülerschule in Waldenau. Bei ihrer gestrigen Visite stellte sie  fest: „Hier herrscht ein gutes, entspanntes Klima.“ Den Kindern sei anzumerken, dass sie im Unterricht genau wissen, was zu tun ist. Das spreche für kompetente und souveräne Lehrkräfte. Das Besondere an der  Schülerschule Waldenau ist, dass   dort die Eltern die Schulträger sind. Vor 30 Jahren gründeten Mütter und Väter die Schule unter dem Motto „Lernen und Leben in Verschiedenheit“. Aus Mangel an Alternativen der vorhandenen staatlichen Schulen. Bis heute ist die Bildungseinrichtung, die momentan 212 Jungen und Mädchen besuchen,  eine Privatschule. Zu 80 Prozent wird sie vom Land finanziert, die restlichen 20 Prozent zahlen die Eltern für die Schulbildung ihres Nachwuchses.

„Wir haben hier schon viele Minister zu Besuch gehabt. Herr Albig, Frau Erdsiek-Rave und Frau  Wende waren schon hier“, sagt Schulleiterin Bettina Plenz. „Aber wir machen hier nicht alles toller, nur anders.“ Von der ersten bis zur zehnten Klasse können die Jungen und Mädchen die Schülerschule besuchen.

Vermitteln wolle man die sogenannten  Schlüsselqualifikationen für eine erfolgreiche Berufsausbildung und  weiterführende Schulen. „Viele unserer Schüler machen danach ihr Abitur“, sagt Plenz. Die Schulleiterin bedauert, dass ihrer Schule deswegen ein Förderschul-Image anhafte. „Wir unterrichten hier alle, begabte  Kinder und Kinder mit geistigen und körperlichen Behinderungen“, sagte die 59-Jährige, selbst seit 14 Jahren an der Schule tätig. „Dabei bleiben – entgegen der Sorgen der Eltern – die begabten Kinder nicht auf der Strecke. Ganz im Gegenteil: In der Mischung liegt die Stärke“, fügt die Schulleiterin hinzu. Und Helga Meyerhoff, Schulkoordinatorin, ergänzt: „Inklusion ist eigentlich erst dann abgechlossen, wenn man nicht mehr darüber sprechen muss.“