JVA-Konzert Woodstock-Gefühl hinter Mauern

Von Andrea Lange | 12.03.2017, 16:25 Uhr

Die Kieler Justizvollzugsanstalt veranstaltete am Wochenende ein Rockkonzert für die Inhaftierten. Die Coverband Bad Moon Rising traf mit den Hits von Creedence Clearwater Revival den Nerv ihrer Zuhörer.

Es ist ein Hauch von Woodstock, der durch die Mehrzweckhalle strömt. Zwischen Tischtennisplatten, Basketballkörben und einem in die Jahre gekommenen Klavier spielen Bad Moon Rising einen Klassiker von Creedence Clearwater Revival nach dem anderen. Eigentlich ist alles wie immer bei den Auftritten der gut gelaunten CCR-Coverband. Doch etwas ist anders: Vor den Fenstern schimmert Stacheldraht in der Frühlingssonne und das Publikum trägt einheitlich dasselbe Grün. Der Grund: Der „Konzertsaal“ befindet sich mitten in der Kieler Justizvollzugsanstalt (JVA).

Gemeinsam mit dem Kunst- und Literaturverein für Gefangene hat Vollzugsabteilungsleiter Ulf Henning das Konzert initiiert. Es ist bereits das dritte dieser Art, 2014 etwa hatte die Johnny-Cash-Coverband The Linewalkers hier aufgespielt. Um an dem Konzert teilnehmen zu können, mussten sich die JVA-Bewohner zuvor anmelden. „Ich habe 60 Anmeldungen bekommen und hoffe, dass wenigstens 50 kommen werden“, sagt Henning. Denn kulturelle Angebote seien wenig beliebt unter den Inhaftierten: „Viele sind misstrauisch, was bildungsbürgerliche Ansätze angeht“, erklärt Henning das mangelnde Selbstwertgefühl einiger Insassen. „Viele haben die Sorge, dass man etwas von ihnen verlangt, was sie im Laufe ihres Lebens mal verpasst haben.“

Für die Bandmitglieder von Bad Moon Rising, die ihre Stücke sonst auf Familien- oder Stadtfesten zum Besten geben, ist der ungewöhnliche Spielort kein Grund zur Sorge. Im Gegenteil: „Wir fanden die Idee spaßig“, sagt Sänger Holger Eberth. „Der Vorteil ist, dass wir hier keine Groupies fürchten müssen“, sagt er lachend. Bassist Stephan Schneider ergänzt: „Es ist ja auch mal interessant, so ein Gebäude von innen zu sehen.“

Wenige Minuten vor dem Beginn des Nachmittagskonzerts trudeln die mit Hausschuhen und Jogginghose zwanglos gekleideten Männer nach und nach ein, nachdem eine Justizvollzugsbeamtin am Eingang die Namen auf der Anmeldeliste abgehakt hat. Fast 90 Minuten spielen Bad Moon Rising vor ihren 30 Zuschauern. Zwischen Hits wie „Suzie Q“, „Down on the Corner“ und natürlich „Bad Moon Rising“ lockert Frontmann Holger Eberth mit heiteren Ansagen die Stimmung unter den 25- bis 45-jährigen Zuhörern auf. Spätestens bei „Proud Mary“ ist das Publikum überzeugt: Hier wippt ein Fuß zum Rhythmus, da nickt ein Kopf mit dem Beat, und der anschließende Beifall spricht für sich.

„Das war super“, sagt ein Häftling, als es anschließend für alle zurück in die Zellen geht. „Die lockere Art und wie sie auf uns eingegangen sind, war klasse.“ Ein weiterer Besucher schließt sich an: „Die Stücke waren ja fast alle bekannt“, sagt der 28-Jährige, der seine 18-monatige Haftstrafe Anfang April abgesessen haben wird. „Das war eine willkommene Abwechslung, so was hat man hier ja sonst nicht.“ Nur für einen Inhaftierten ist nach dem Konzert von Bad Moon Rising noch nicht Schluss. Der Veranstaltungstechniker, der in der JVA Kiel eine 15-monatige Haftstrafe verbüßt, hilft beim Abbau. „So bleibe ich bei dem, was ich mal gelernt habe“, erklärt der 40-Jährige lächelnd. Fast 20 Jahre habe er für Nazareth, Bela B. und andere Größen gearbeitet. „Dann habe ich 2006 Mist gebaut, und der hat mich jetzt eingeholt“, erklärt er beim Einrollen der Kabel. Für ihn steht fest: „Wenn ich hier raus bin, will ich auf jeden Fall weitermachen. Rock ist meine Welt.“