Mordfall Perrey Eine Tat mit „massiver Gewalt“

Von Rieke Beckwermert | 09.07.2016, 06:04 Uhr

Die Mordkommission sucht nach dem Tötungsdelikt an einer Kieler Rentnerin weiter unter Hochdruck nach einer heißen Spur - und gibt Details aus den Ermittlungen bekannt.

Sie hat sich gewehrt. Davon könne man ausgehen, sagt Stefan Winkler, Leiter der Mordkommission der Kieler Kriminalpolizei. Linde Perrey, 72 Jahre alt, wurde heute vor drei Wochen tot in ihrer kleinen Ein-Zimmer-Wohnung im Stadtteil Schreventeich gefunden. Für die Ermittler stand schnell fest: die Rentnerin ist einem Tötungsdelikt zum Opfer gefallen. Spuren an ihrem Körper zeugen von „massiver Gewalt“, sagt Winkler: „Das war schon ein brutales Verbrechen“. Das habe auch die Sektion am Tag nach dem grausigen Fund bestätigt. Vieles deute aber darauf hin, dass die schwerhörige, alleinstehende und zurückgezogen lebende Frau zwischen Montag, den 13. und Mittwoch, den 15. Juni getötet wurde. Und zwar mitten am Tag. Denn sie war komplett bekleidet, lag nicht im Bett. Man fand sie hinter ihrer Wohnungstür.

Gewissheiten gibt es momentan für die 20-köpfige Kommission allerdings kaum. Auf der Suche nach dem Täter tappen die Ermittler weiter im Dunkeln. Auch deshalb wendet sich Winkler an die Öffentlichkeit. Mögliche Zeugen werden gebeten sich zu melden (Tel. 0431/1603333): Vielleicht haben sie einen Streit in der Wohnung von Linde Perrey (Dehnckestrae 1b) mitbekommen. Auch frühere Bekannte könnten mit Beobachtungen helfen, sollten diese auch unwichtig erscheinen. Doch Winkler wird auch deutlicher: „Der Täter könnte seine Kleidung bei der Tat mit Blut beschmutzt haben“, sagt er. „Jeder, dem etwas Ungewöhnliches aufgefallen ist, sollte sich melden.“

So wie die Nachbarn von Linde Perrey, die gern mit dem Rollator unterwegs war, auch in der Innenstadt. Doch in den Tagen vor der Eröffnung der Kieler Woche häuften sich Pakete im Flur vor ihrer Wohnungstür. Nachbarn in der etwas anonymen Wohn-Anlage machten sich Sorgen, weil sie Linde Perrey (Foto) länger nicht gesehen hatten. Sie riefen die Polizei.

Was könnte also zuvor geschehen sein, am Tag, als Linde Perrey ermordet wurde? Hat sie dem Täter selbst die Tür geöffnet? „Es gibt keine Einbruchsspuren, wir gehen nicht von einem gewaltsamen Eindringen aus“, so Winkler. Denkbar wäre demnach, dass die 72-Jährige nach dem Öffnen der Tür in die Wohnung gestoßen wurde. Anzeichen auf mehrere Täter hat die Kripo übrigens nicht. Ein Raubmord steht indes für Winkler als These im Raum: „Wir gehen davon aus, dass vielleicht Wertsachen fehlen.“ Trickdiebe im Haus sind aber nicht gemeldet worden. Hat der Täter sie gezielt ausgesucht, oder wurde Linde Perrey ein zufälliges Opfer? „Die Frage stellen wir uns auch“, sagt der Leiter der Mordkommission. Eine Beziehungstat können die Ermittler daher auch nicht ausschließen.

Und so gehen die Beamten vor, um den Mörder zu schnappen: Mit „der ganzen Palette an kriminaltechnischen Möglichkeiten“, so Winkler: „Es gibt viele Spuren, die noch untersucht werden.“ Fingerabdrücke und DNA-Material auswerten – auch freiwillige Speichelproben von Menschen, die Zutritt zur Wohnung hatten, auch um diese als Verdächtige auszuschließen, gehören ebenso zur Arbeit wie die Möglichkeit der Auswertung von Daten etwa aus Funkzellen und Überwachungskameras.

Das ist über Linde Perrey bekannt: Sie ist in Ostpreußen geboren und in Kiel aufgewachsen, lebte im Ruhrgebiet, bevor sie zurück in den Norden kam. Mitte der 90er Jahre zog sie nach Laboe, zog ein paar Mal um. Seit 2002 wohnte sie in der Dehnckestraße. Da sie fast taub war, kommunizierte Linde Perrey teils schriftlich. Mit ihrer Familie, die im Ruhrgebiet lebt, hatte sie per SMS Kontakt. Sie hat zwei Kinder, war geschieden. Mit Jobs auf 400-Euro-Basis als Haushaltshilfe verdiente die Sekretärin sich bis vor zehn Jahren etwas dazu. Stefan Winkler: „Sie war eine gepflegte Frau, aber nicht wohlhabend.“

Die Kieler Staatsanwaltschaft hat für Hinweise, die zur Ermittlung des Täters führen, eine Belohnung in Höhe von 5  000 Euro ausgelobt.