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Politik gegen Verwaltung in Flensburg WiF fordert die Stadt zum Rechtsbruch auf

Von pop | 05.01.2017, 10:00 Uhr

Streit um Rundfunkgebühren: Kommunalpolitiker stellen sich über das Bundesverfassungsgericht

Es klingt wie ein skurriler Streit um Prinzipien, ist jedoch bitterer Ernst. Die WiF-Fraktion hatte im Herbst einen Vorstoß gegen eine bundesweit gültige Regelung gestartet, wonach Kommunen verpflichtet sind, bei säumigen Zahlern in ihrem Gebiet die Rundfunkgebühren einzutreiben, notfalls mit Vollstreckung. Die WiF wollte über eine Ratsvorlage die Verwaltung zwingen, dies nicht mehr zu tun und – mehr noch – auch selbst keine Rundfunkgebühren mehr zu zahlen.

Jetzt schlägt die Verwaltung zurück. Ausführlich weist sie das Ansinnen der WiF zurück und deutet an, dass in der Vorlage sogar eine Aufforderung zum Rechtsbruch stecken könnte. Zunächst werden auf rund 1,5 Seiten die Rechtsvorschriften aufgeführt, die die Stadt – wie jede andere Kommune in Deutschland auch – verpflichtet, im Zuge der Vollstreckung Rundfunkgebühren von säumigen Zahlen einzutreiben. Ob die Forderungen des hier im Norden zuständigen NDR berechtigt sind oder nicht, obliege nicht der Prüfung der Stadt, sondern müsse zwischen Gläubiger und Schuldner geklärt werden.

Doch es geht noch weiter. „Ob gewollt oder ungewollt, entspricht der Antrag der WiF-Ratsfraktion einer bundesweiten Kampagne gegen die Rundfunkbeitragspflicht“, heißt es in der 1. Ergänzung zur Ratsvorlage 126/2016. „Der Versuch, die Grundsatzfrage vor Ort klären zu wollen, ist nicht zielführend und belastet die Verwaltungsarbeit über Gebühr.“ Die WiF hatte nämlich auf die im Grundgesetz verankerte Informationsfreiheit der Bürger abgehoben und daraus abgeleitet, dass Gebühren für öffentlich-rechtliche TV- und Radiosender grundgesetzwidrig seien, weil jeder Bürger die Möglichkeit haben müsse, sich kostenfrei aus frei zugänglichen Quellen zu informieren. Die Stadt möge sich gefälligst auf das Grundgesetz berufen und die Vollstreckung aussetzen sowie die Zahlung eigener Rundfunkgebühren einstellen.

Doch die WiF geht noch weiter und macht sich zum Hüter des Grundgesetzes. In ihrer Vorlage spricht sie sogar dem Bundesverfassungsgericht das Recht zur Interpretation des Grundgesetzes ab; ein Gang nach Karlsruhe erübrigt sich also, weil Karlsruhe aus Sicht der WiF gar nicht zuständig ist, sondern das Grundgesetz stattdessen in Raum E55 (Fraktionszimmer der WiF) des Flensburger Rathauses interpretiert und bewahrt wird. Dagegen die Verwaltung: „Hinsichtlich der ,unverletzlichen’ Grundrechte wird es immer Auslegungsfragen geben, die letztlich vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde geklärt werden müssen.“

Die Verwaltung verschweigt keineswegs, dass der neue Rundfunkbeitrag umstritten ist und dass es eine Reihe anhängiger Gerichtsverfahren gibt. Doch „Politik und Verwaltung dürfen sich in einem grundsätzlichen Rechtsstreit, der ja möglicherweise sogar Erfolg haben könnte, nicht instrumentalisieren lassen“.

In letzter Konsequenz ist das Verhalten der WiF-Ratsfraktion aus Sicht der Verwaltung nicht nur „nicht zielführend“: „Die Forderung, im Zuge eines ,kommunalen Ungehorsams’ als Kommune selbst keine Rundfunkbeiträge mehr zu entrichten, stellt nicht nur einen öffentlichen
Aufruf zur Zahlungsverweigerung dar, sondern ist vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtslage auch eine Aufforderung zum Rechtsbruch.“

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