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Musik Der ruhige Klang unerfüllter Liebe

Von Imke Voigtländer | 24.10.2016, 12:44 Uhr

Mit Liedern von Guillaume de Machaut setzte das Trio La Mouvance die Konzertreihe Johannisklang fort

„Denn ich liebe Dich so sehr, dass man eher die unendlichen Meere austrocknen und ihre Wellen zurückhalten könnte, als dass ich meine Liebe zu Dir lösen würde.“ (Übersetzung aus dem Französischen) Eine so besungene Liebe hat Zeit – zumal, wenn es sich um die unerfüllbare Liebe zu einer französischen Dame von Hofe im Mittelalter handelt.

Zeit nehmen sich auch die drei Musikerinnen von der Gruppe „La Mouvance“. In langen, fließenden Kleidern stehen sie im grün erleuchteten Altarraum der St. Johanniskirche. Jedem Ton gibt Sängerin Christine Mothes ausreichend Zeit und Raum, um sich voll entfalten zu können. Begleitet wird sie von dem mal zurückhaltenden, mal an- und abschwellenden Spiel von Karen Marit Ehlig und Lucia Mense auf Fidel und Flöte.

Auf dem rund eineinhalbstündigen Programm stehen hauptsächlich Lieder von Guillaume de Machaut. Fast alle Lieder des französischen Dichter-Komponisten aus dem 14. Jahrhundert sind auch schriftlich überliefert – eine Seltenheit zu dieser Zeit und eine Fundgrube für alle Freunde mittelalterlicher Musik. Machaut setzte die Tradition der französischen Troubadours fort, die die „fin amour“, die höfische Liebe, besangen.

„Diese Stücke leben“, sagt Christine Mothes. Es gebe immer wieder neue Varianten eines einzigen Stückes. Grund dafür ist das Wechselspiel zwischen mündlicher und schriftlicher Überlieferung von Text und Musik, dem das Trio auch seinen Namen verdankt: „La Mouvance“ (die Bewegung). Seit sieben Jahren sind die drei Musikerinnen mit diesem Programm auf internationalen Festivals und in Konzertreihen zu hören.

Durch den durchweg ruhigen, melancholischen Klangfluss der Stücke fällt es schwer, die einzelnen Lieder zu unterscheiden. Zwar gibt es ein umfangreiches gedrucktes Programm, kurze Einführungen wären an dieser Stelle aber sicher zusätzlich hilfreich gewesen.

Insgesamt machen es jedoch besonders die weiche und volltönende Stimme der Sängerin und der raumfüllende Klang unter dem spätgotischen Gewölbe der Johanniskirche leicht, sich auf die anfangs ungewohnt klingenden Melodien einzulassen. Ein wenig weltentrückt und aus der Zeit gefallen kann man sie wie ein Glas guten, schweren Rotweins in aller Ruhe genießen.

„Ich werde dich fürchten, Dir dienen und Dich ehren, bis zu meinem Tode, unvergleichliche Frau“ lautet die Übersetzung einer Liedzeile aus dem Stück „Foy porter“. Selbst wer nicht die notwendigen Sprachkenntnisse mitbringt, um die Texte in Altfranzösisch verstehen zu können, kann die verzehrende Sehnsucht, tiefe Liebe, ewige Verehrung und die Trauer über die Unerreichbarkeit der Angebeteten heraushören, die in diesen Zeilen steckt.

Darf man in einer Kirche applaudieren? Diese Frage hatten die Zuhörer trotz erster unsicherer Blicke schnell für sich entschieden: Man darf! Als Zugabe spielte „La Mouvance“ ein Stück über den Frühling – ein aufmunternder Ausblick, bevor sich nach dem Konzert die Kirchentore in den herbstlichen Nieselregen hinein öffnen.