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Biogas Neues Mekka der Biomüll-Verwertung

Von tpo | 14.11.2016, 06:12 Uhr

Nirgendwo im Land wird so viel organischer Abfall verarbeitet wie in Borgstedtfelde / Kreiseigener Entsorger weiht erweiterte Anlage ein

Mit dem Ausbau ihrer Kompostieranlage hat sich die Abfallwirtschaftsgesellschaft des Kreises Rendsburg-Eckernförde (AWR) an die Spitze katapultiert: Sie kann künftig so viel Biomüll verarbeiten und damit gleichzeitig Strom und Wärme erzeugen, wie niemand sonst in Deutschland. Freitag wurde die Anlage in Borgstedtfelde eröffnet.

80  000 Tonnen Abfall aus den braunen Tonnen kann die erweiterte Bioabfall-Behandlungsanlage im Jahr verkraften. „Wir rechnen damit, dass wir diese Menge bereits in diesem Jahr erreichen“, sagte AWR-Geschäftsführer Ralph Hohenschurz-Schmidt gestern. Dabei kommt nur etwas mehr als die Hälfte davon (44  000 Tonnen) aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde. Es bestehen Entsorgungsverträge mit den Kreisen Schleswig-Flensburg und Plön sowie der Stadt Neumünster. Damit wird ein Drittel des in Schleswig-Holstein gesammelten Bioabfalls von 240  000 Tonnen im Jahr in Borgstedt verarbeitet. Darauf dürfen die „Bürger des Kreises Rendsburg-Eckernförde mit einem gewissen Stolz blicken“, findet Hohenschurz-Schmidt. „In anderen Regionen wurde noch nicht einmal flächendeckend die Biotonne eingeführt“, fügte er hinzu. Aus der organischen Masse wird durch Vergärung Gas und im zweiten Schritt Strom erzeugt. Derzeit sind es 4,5 Millionen Kilowattstunden im Jahr. Wenn die Gesamtmenge von 80  000 Tonnen erreicht wird, kommt die AWR auf bis zu 9,5 Millionen Kilowattstunden. Damit lässt sich laut Hohenschurz-Schmidt der jährliche Strombedarf von bis zu 3000 Haushalten decken. Zudem wird im Kompost-Prozess Wärme erzeugt, die von der AWR und anderen Unternehmen im Gewerbegebiet nahe der A7 genutzt wird. Am Ende der Wirkungskette entsteht hochwertiger, völlig keimfreier Kompost.

Derzeit behandelt die AWR in Borgstedtfelde rund 50  000 Tonnen Biomüll pro Jahr. Bei den nun mit zahlreichen Gästen eingeweihten zusätzlichen Kapazitäten handelt es sich um eine Erweiterung. Im Kern besteht sie aus einer neuen Halle von rund 9000 Quadratmetern Größe. Die Baukosten betrugen rund zehn Millionen Euro. Damit sind seit 2008 rund 20 Millionen Euro auf dem AWR-Gelände investiert worden.

Enthalten ist auch eine aufwendige Abluftreinigung. Der „saure Wäscher“ scheidet Ammoniak ab, sodass auch Stickstoffemissionen reduziert werden. Danach wird die Luft zudem von einem Biofilter gereinigt, damit es in der Umgebung nicht nach Verwesung stinkt. Dieser Filter besteht aus einem knapp drei Meter hohen Becken mit einer Grundfläche von rund 1000 Quadratmetern – gefüllt mit einem Gemisch, das unter anderem aus Holzhackschnitzeln besteht. Durch Feuchtigkeit siedeln Bakterien, die die Geruchsanteile an der Luft „auffressen“, die von unten durch das Becken gedrückt wird.

Ralph Hohenschurz-Schmidt spricht von einer Erfolgsgeschichte: „Was vor 20 Jahren noch achtlos auf der Deponie vergraben wurde, wird heute vollständig verwertet.“ Voraussetzung dafür sei auch die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger im Kreis, durch Mülltrennung mitzumachen. Gastrednerin Dr. Silke Schneider, Staatssekretärin im Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, zeigte sich beeindruckt. „Das ist ein wichtiger Beitrag zur nachhaltigen Verwertung unserer Rohstoffe“, sagte sie. AWR-Aufsichtsratsvorsitzender Hans-Jörg Lüth ist sich sicher: „Abfallverwertung ist keine ideologische Frage, sondern ein Erfordernis von Ökonomie und Ökologie.“ Er wies darauf hin, dass das AWR-Gelände noch Platz bietet: „Wir könnten noch auf 100  000 Tonnen erweitern.“ Als öffentlich-rechtlicher Betrieb werde aber zurückhaltend geplant, um keine Überkapazitäten zu produzieren.

Technisch besteht die neue Anlage aus acht Boxenfermentern mit je einem Fassungsvermögen von 1000 Kubikmetern. Dort lagert der angelieferte Müll rund vier Wochen und produziert durch Vergärung Biogas, das in Blockheizkraftwerken zu Strom verarbeitet wird. Hans-Jörg Lüth forderte noch einmal alle Haushalte auf, auch Küchenabfälle in die braune Tonnen zu werfen. „Die bringen die beste Stromausbeute“, sagte er. Danach lagert das Material eine Woche lang in vier Rotteboxen. Am Schluss wird es drei bis vier Wochen lang in offenen Hallen kompostiert. So wird eine Temperatur von bis zu 70 Grad Celsius erreicht. Pflanzensamen etwa treiben danach nicht mehr aus.