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„Gemeinsam für Deutschland“ Video: Neonazi-Demo in Bad Oldesloe verläuft weitgehend friedlich

Von Patrick-Christoph Niemeier/shz.de | 16.04.2016, 20:00 Uhr

In Bad Oldesloe marschieren am Sonnabend Neo-Nazis. Gegner verhindern allerdings die geplante Route. In Lübeck gab es eine Schlägerei.

Ausnahmezustand in der Stormarner Kreisstadt Bad Oldesloe am Sonnabend. Hunderte Einsatzkräfte von Landes- und Bundespolizei verhinderten am Sonnabend, dass eine Demo von 90 Rechtspopulisten und Rechtsradikalen auf die knapp über 1000 Teilnehmer der Gegendemo (darunter etwa 200 Linksautonome) des „Bündnis gegen Rechts“ trafen. Die angemeldete Rechtendemo der NPD war seit Wochen das Gesprächsthema in Bad Oldesloe gewesen. Zahlreiche Organisationen hatten sich nach dem Bekanntwerden gemeinsam solidarisch mit dem „Bündnis gegen Rechts“ erklärt.

Die von Walter Albrecht (DGB) und Henrik Holtz (Die Linke) angemeldete Demonstration „Bad Oldesloe bleibt bunt“ wurde so ein voller Erfolg. Friedlich zogen die Teilnehmer durch die Stadt und setzten ein Zeichen gegen Rassismus, Ausländerhass und Intoleranz.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Martin Habersaat, twitterte Bilder von der Gegendemonstration.

Auch Grünen-Politiker Konstantin von Notz twitterte von der Demo.

Es kam allerdings abseits der Demonstrationsroute und nach der Kundgebung zu mehreren Zwischenfällen. Straßen, Kreuzungen und Bahngleise wurden blockiert und so schon die Anreise der Rechten erschwert. Wegen brennender Reifen auf der Bahnstrecke von Lüneburg nach Lübeck kam der Zugverkehr zeitweise zum Erliegen. Im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei kam es in der Anreisephase außerdem zu Steinwürfen durch eine Gruppe von rund 100 vermummten Personen auf einen Regionalexpress etwa 500 Meter vor dem Bahnhof Bad Oldesloe. Der Zug wurde zwar beschädigt, blieb aber einsatzfähig. Ein Umstand über den sich diese in ihren Ansprachen während der Kundgebung auch ausführlich beschwerten. Ihre Demonstration und ihr Recht auf Meinungsfreiheit sei nicht angemessen von der Polizei geschützt worden, lautete ein Vorwurf. Der NPD Landesvorsitzende Ingo Stawitz bezeichnete die Gegendemonstranten als „Handlanger, die Merkels Drecksarbeit machen.“

Auf der anderen Seite sprach Oldesloes Bürgerworthalter Rainer Fehrmann (CDU) von einem „schlechten Witz“, dass national-patriotische Kräfte „ausgerechnet im toleranten Bad Oldesloe mit seiner einmaligen Willkommenskultur“ Fuß fassen wollen. „Ich bin noch nie aktiv auf eine Demonstration gegangen. Heute mache ich es, weil es notwendig ist“, sagte er unter dem Applaus der Anwesenden. „Wir zeigen den Nazis die rote Karte“ unterstrich Albrecht die Ambition der Gegendemo.

 

Etwas traurig zeigte er sich trotz der insgesamt guten Resonanz darüber, dass die Abschlusskundgebung nicht mehr ganz so gut besucht war. „Ich bedanke mich bei all denen, die uns heute so toll unterstützt haben und dass der Vormittag komplett friedlich abgelaufen ist. Ich hätte mir gewünscht, dass das so bleibt. Entscheidend ist für mich aber vor allem, dass wir gezeigt haben, dass wir dieses brauen Pack hier nicht wollen“, sagte Albrecht. Dieser Meinung war auch Florian Kautter (Die Linke) an: „Wir möchten nur eine einzige Sache von diesen Leuten: dass sie dorthin zurückfahren, wo sie hergekommen sind und dort dann auch aufhören, Menschen zu hassen und gegen Fremde zu hetzen“, sagte er bei einer Zwischenkundgebung.

Viele Demonstranten aus dem linkspolitischen Spektrum waren zu diesem Zeitpunkt schon mit den von ihnen geplanten „Gegenmaßnahmen“ beschäftigt.

Im Endeffekt schafften sie es mit immer wieder im Stadtgebiet durchgeführten kleinen Störaktionen und Straßenblockaden den Marsch der NPD-Demo zu verhindern. Die selbsternannten „einzigen Patrioten“ konnten nur ein Mal um den Bahnhofsvorplatz laufen und anschließend eine Abschlusskundgebung durchführen. Der geplante Marschweg der Rechten wäre nur mit massivem Technikeinsatz und dem ebenso massiven Einsatz von unmittelbarem Zwang durchsetzbar gewesen, teilte die Polizei mit. Aus Verhältnismäßigkeitsgründen nahm der Polizeiführer davon Abstand. Im Rahmen Kooperationsgespräches einigte man sich auf eine verkürzte Marschstrecke. Die Veranstaltung wurde offiziell um 16.17 Uhr beendet.

Bei der so durch die Gegendemonstranten erzwungenen Abreise der „Nationalpatrioten“ wurden diese mit Böllern und Flaschen beworfen. Kurzzeitig schien die Situation am Abend doch noch zu eskalieren. Doch relativ schnell kehrte wieder Ruhe rund um den Bahnhof ein. Die Polizei sprach insgesamt 60 Platzverweise aus.

„Es war alles relativ friedlich – nicht komplett friedlich, aber die großen Straßenschlachten sind zum Glück ausgeblieben“, so Polizeisprecherin Sonja Kurz. Bis zum frühen Abend wurden insgesamt fünf Personen aus beiden politischen Lagern in Gewahrsam genommen. Fünf Papiercontainer gingen in Flammen auf. Eine Frau wurde beim Auflösen einer Schienenblockade leicht verletzt. Die Sorgen der Geschäftsleute in der Oldesoer Innenstadt erwiesen sich als unbegründet. Es gingen – anders als am Anfang von den Kaufleuten erwartet – keine Scheiben zu Bruch. Insgesamt waren 860 Polizeibeamte aus Schleswig-Holstein und Hamburg sowie 482 Beamte der Bundespolizei eingesetzt.

Auf der Rückreise von Bad Oldesloe gab es dann Auseinandersetzungen am Lübecker Bahnhof. Nach Angaben der Bundespolizei wurden mehrere Menschen leicht, eine Person schwer verletzt. 50 Personen des „rechten“ und „linken“ Spektrums trafen laut Polizei in der Banhofshalle aufeinander. Beide Gruppen gingen sofort aufeinander los. Ein massiver Polizeieinsatz sei erforderlich gewesen. Der Bahnhof wurde für Reisende gesperrt. Über 100 Bundespolizisten gelang es, die rivalisierenden Gruppen zu trennen. Es gab mehrere Leichtverletzte. Eine Person erlitt eine schwerere Kopfverletzung, wurde vor Ort erstversorgt und zur Sicherheit anschließend in ein Krankenhaus gefahren. Mehrere Personen wurden überprüft und Anzeigen geschrieben. Gegen 18.20 Uhr wurde der Bahnhof wieder freigegeben.

Warum sich die Rechten ausgerechnet Bad Oldesloe für einen Aufmarsch ausgesucht hatten, ist nicht bekannt. „Wir haben da auch nur Vermutungen“, sagt Tim Kiefer. Eine These ist demnach schlicht, dass eine bekannte Hauptperson, die im Hintergrund agiert, aus Lübeck stammt. Es könnte auch sein, dass die Organisatoren hoffen, nach einer Demo von Russland-Deutschen vor einer Weile, aus deren Umfeld Unterstützung zu bekommen. Deshalb tauche die NPD auch offiziell nicht auf. Tim Kiefer: „Da wird getrickst und verschleiert. Die NPD-Leute werden im Hintergrund gehalten. So versuchen sie auf den Pegida- und Besorgte-Bürger-Zug aufzuspringen.“ Dass die Oldesloer Demo der Nachfolger der zuletzt nicht mehr erfolgreichen Lübecker Nazi-Aufmärsche ist, hält er eher für abwegig. Organisatoren und Thematik seien zu unterschiedlich.