Mit der „Todeskugel“ tourte der Artist durch Europa und überstand 48 Abstürze. Jetzt plant der Oldesloer sein Leben als Film.
Ein Film brachte die Kugel ins Rollen und mit einem Film soll es enden – die Geschichte des Oldesloer Artisten Don Oscarez und seiner Zirkusnummer „Die Todeskugel“.
Der heute 88-Jährige erinnert sich: Es begann 1942 als der 14-jährige Don Oscarez aus der Stadt Ceský Tésin (damalige Tschechoslowakei) den Film „Die gläserne Kugel“ mit Albrecht Schönhals sieht. Im Film rast der Held in einer Kugel eine Bahn hinunter, fliegt durch die Luft und kommt schließlich wieder wohlbehalten auf dem Boden an. Die Vorführung zieht Oscarez in den Bann und sein erster großer Traum entsteht. Schon als Junge ist ihm klar, dass es sich in dem Film nur um einen Trick handelt, er will dieses Kunststück aber in die Realität umsetzen. Doch es soll noch einige Jahre dauern, bis er seinem Traum einen Schritt näher kommt.
Anstatt sich dem Artistenberuf hinzugeben, schlägt Don Oscarez zunächst einen konventionelleren Berufsweg ein – er beginnt eine Lehre als Radiomechaniker. Da er aber auch auf einen Einzug in die Armee vorbereitet sein will, macht er einen Segelflugschein. Er besteht die A-, B- und die halbe C-Prüfung, bis der Krieg beendet ist. Bei einem Besuch seiner Schwester erfährt er von der Einnahme seiner Heimat durch die Russen und bleibt zunächst bei ihr. Um der Roten Armee weiterhin zu entgehen, machen sie sich beide mit einem großen Treck in Richtung Norddeutschland auf.
Auf dem Weg nach Bad Oldesloe sehen sie zum ersten Mal die Autobahn, die Hitler für seine Soldaten bauen ließ. Oscarez baut sich aus fünf kaputten Fahrrädern ein fahrtüchtiges zusammen und macht sich auf den Weg nach Lübeck, um Arbeit zu finden. Bei Radio Reger kann er seine Ausbildung als Radiomechaniker fortsetzen.
Zu seiner Unterhaltung kauft er sich eine Stehkarte für den Zirkus der „Gebrüder Belli“, der gerade in der Stadt ist. Während der Vorstellung gibt es technische Probleme – zum Glück ist aber der hilfsbereite Don Oscarez zur Stelle. Er trägt sein Arbeitsgerät stets dabei und sorgt mit einer improvisierten Lösung für die zügige Fortsetzung. Als Dank bekommt er einen Platz in der Loge, von der aus er die restliche Aufführung verfolgen kann. Außerdem erhält er ein paar Reichsmark und eine Dauerkarte. Von nun an besucht er den Zirkus mehrmals die Woche und packt hinter den Kulissen auch mal mit an. Als der Zirkus weiterzieht, ist die Zahl seiner Mitglieder um eins gewachsen.
In der Atmosphäre der Akrobatik und Artistik kommt Don Oscarez sein Traum wieder in den Sinn. Er baut sich aus Drahtgeflecht ein Modell und kauft Kindern Murmeln ab, um seine Idee zu testen. Nach einigen erfolgreichen Versuchen stellt er das Modell dem Zirkusdirektor vor und kann diesen mit seiner Begeisterung anstecken. Auch dem Pressesprecher des Zirkus, Gustav von Hanke, präsentiert er die Kugelbahn. Von Hanke fährt mit ihm zum Artistenschlosser nach Hamburg. Dem reicht aber das Modell nicht – er benötigt zur Umsetzung die technische Zeichnung eines Ingenieurs.
Don Oscarez bekommt Kontakt zu Hermann Pohlmann. Pohlmann, Erfinder der Stuka-Bomber Ju 87 und Ju 88, fertigt für 6000 RM einen Plan an. Der Bau der Konstruktion soll 300 000 RM kosten. Zusammen mit eigenen Ersparnissen und dem Vorschuss des Zirkus ist er in der Lage, die Summe aufzubringen. Zwei Jahre später ist der Traum wahr geworden. Die Premiere ist im Tierpark Hagenbeck geplant, den Veranstaltern liegt der Ort damals aber noch zu weit außerhalb, deshalb wird sie in den Park „Planten un Bloomen“ verlegt. Im Herbst 1948 ist es dann soweit. Oscarez steigt in die enge 125 kg schwere Kugel und klammert sich an den Haltegriffen fest. Helfer auf dem 12 Meter hohen Turm versetzen ihr einen Stoß und die Stahlkugel setzt sich in Bewegung.
Mit Höchstgeschwindigkeiten von bis 75 km/h schießt sie durch den Looping und fliegt dann 6 Meter hoch in die Luft. Krankenwagen und Sanitäter stehen bereit, aber alles geht gut und die Kugel wird vom Netz aufgefangen. 35 000 Zuschauer jubeln, als Oscarez der Kugel etwas wackelig, aber unbeschadet entsteigt. Seiner Inspirationsquelle wegen gibt er der Nummer den Namen „Die gläserne Kugel“. Nachdem aber bei weniger glimpflichen Aufschlägen die gläsernen Fenster zerspringen und durch Stahlplatten ersetzt werden, muss ein neuer Name her. Die Wahl fällt auf „Die Todeskugel“. Mit dieser Nummer reist der neugeborene Starartist mit verschiedenen Zirkussen und auch solo durch ganz Europa und begeistert sein Publikum. Doch wie beinahe jede Erfolgsgeschichte hat auch diese Höhen und Tiefen. 48 Mal bei insgesamt über 3500 Auftritten stürzt der Artist ab und zieht sich zahlreiche schwere Brüche zu. Die Autoren seiner Inspirationsquelle verklagen ihn wegen Ideenklaus und Zirkusse halten Absprachen nicht ein. Zeitweise muss Oscarez diverse Aushilfstätigkeiten ausüben, um Reparaturen an der Kugel zu finanzieren und seine Nummer fortführen zu können. Auch im Privatleben läuft nicht alles glatt. Nach 20 Jahren Ehe trennt sich seine Frau von ihm, weil sie keine Angst mehr haben will, dass jeder Auftritt ihres Mannes sein letzter sein könnte.
Nachdem er lange Zeit in Dortmund gelebt hat, wohnt er heute in Bad Oldesloe und große Träume hat er immer noch: Er möchte seine nach eigenen Angaben weltweit einzigartige Nummer auf der Leinwand sehen. Bereits seit Jahren ist er auf der Suche nach einem Regisseur, seinerzeit zeigte sogar Hitchcock Interesse an einer Verfilmung. Der legendäre Filmemacher starb aber vorher. „Wenn er nicht gestorben wäre, wäre das alles schon erledigt“, bedauert der Artist. Aktuell schwebt Oscarez Till Schweiger als geeigneter Regisseur vor. Alle Requisiten liegen in einer Garage in Dortmund, die er regelmäßig besucht, um nach dem Rechten zu sehen und alles in Schuss zu halten. „Damit alles bereit ist, wenn die Dreharbeiten starten“, erklärt der Artist.
> Wer Interesse bekommen hat, Don Oscarez Leben zu verfilmen, der kann eine Anfrage senden an Don Oscarez, Postfach 1616, 23836 Bad Oldesloe.


