Dirks' Netzwelt #OEZ und Twitter: Waren die Meldungen in den sozialen Netzwerken zu schnell?

Von Stephan Dirks | 29.07.2016, 18:27 Uhr

Während des Amoklaufs in München machten in den sozialen Medien schnell Meldungen die Runde. Zu schnell?

Als in München Schüsse fielen, war es wie so oft nicht CNN und erst recht nicht die „Tagesschau“, die zuerst Informationen zu den Vorgängen im „#OEZ“ verbreiteten. Es war Twitter. Twitter war auch das Mittel zur Krisenkommunikation, über das die Polizei mehrsprachig Warnungen verbreitete. Das wäre vor Jahren noch undenkbar gewesen. Man erinnert sich an Zeiten, da musste man Polizeibeamten mit Handpuppen vorspielen, was es dieses Internet ist und dass man darin Straftaten begehen kann.

Auch der „Facebook Safety Check“ erwies sich erneut als sinnvolles Werkzeug zur Vergewisserung: Alle Bekannten im Umkreis sind wohlauf. Aber da ist auch etwas anderes, etwas Beunruhigendes. Zum ersten Mal konnten wir live – ironischerweise vor allem über die klassischen Medien – erleben, wie Falschmeldungen und Übertreibungen  erst auf Twitter entstanden, dann dort verbreitet und schließlich in der „Tagesschau“ vorgelesen wurden. Auf den Straßen Münchens brach an verschiedenen Stellen Panik aus, sogar die Bundeswehr wurde in Bereitschaft versetzt – sehr wahrscheinlich, dass Unsinn, der in den sozialen Medien seinen Ursprung hatte, daran mit Schuld war.

Als man unter „Neuen Medien“ noch Rundfunk und TV verstand, war selbstverständlich: Wer sie kontrolliert, übt Macht aus. Diese Macht muss kontrolliert werden. Dies ist der Gedanke hinter der Erlaubnispflichtigkeit von Rundfunk, wie sie der Rundfunkstaatsvertrag (RStV) vorsieht. „Veranstalter“ von Rundfunk und TV müssen in einem formellen Verfahren unter anderem ihre „Zuverlässigkeit“ nachweisen, bevor sie eine Lizenz erhalten. Regelmäßig wird in Hinblick auf bestimmte, rundfunkähnliche Dienste (Google Hangout, Periscope) ebenfalls die Frage aufgeworfen, ob diese Dienste eine Rundfunklizenz bedürfen, anders ausgedrückt: Ob sie ohne Lizenz verboten sind.

Die Rolle, die die sozialen Medien in München gespielt haben, ruft solche Überlegungen wieder auf den Plan. Hier fantasiert nicht ein autoriätsgläubiger Bürokrat: Derartiges ist nur einen Federstrich des Gesetzgebers entfernt und jeder, der leichtfertig und ungeprüft Falschmeldungen über die sozialen Medien verbreitet, wirkt daran mit, eine Beschränkung der eigenen Medienfreiheiten wahrscheinlicher zu machen. Dazu sollten wir es nicht kommen lassen.

> Stephan Dirks ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in Kiel und bloggt unter www.dirks.legal