Soziales Netzwerk Mastodon: Das neue Twitter mit Metal-Effekt

Von Gerrit Hencke | 10.04.2017, 08:52 Uhr

Es will anders sein als Facebook und Twitter: Mastodon. Der Hype um das Netzwerk kommt aber wohl eher der gleichnamigen Band zugute.

Eugen Rochko ist 24 Jahre alt, kommt aus Jena, und hat ein neues soziales Netzwerk ins Leben gerufen. Moment, da gab es doch schon diverse „Alternativen“ zu Facebook, Twitter und Co. – Ello oder Diaspora um zwei zu nennen. Beide sind heute kaum ein Thema mehr. Warum aber wird Mastodon, was übrigens auch der Name einer Metalband aus Atlanta ist, jetzt so gehypt? Drei Argumente.

Es gibt, anders als bei Twitter, keine Begrenzung auf 140 Zeichen (sondern 500). Rechte Hasstiraden und Hatespeech im Allgemeinen soll es nicht geben. Und: Hinter Mastodon steckt keine Firma und so gibt es nicht EIN Mastodon. Vielmehr ist es ein dezentrales Netzwerk, wo Freiwillige hier und da Knotenpunkte, sogenannte Instanzen, betreiben. Aktuell gibt es schon 125.000 Nutzer – Tendenz steigend.

Das unkommerzielle Open-Source-Angebot funktioniert anders als Twitter. Zunächst sucht man sich eine Instanz (Hier gibt es eine Liste). Da gibt es „mastodon.social“, die aber derzeit überlaufen ist. Anmeldungen sind kaum möglich. Wir haben „social.tchncs.de“ ausprobiert. Jede der Instanzen ist eine eigene Community in der Community. Sie richten sich an verschiedene Sprachen oder haben eigene Regeln. Nach der Registrierung kann es losgehen. Andere Nutzer findet man über den eigenen Namen und den Namen der Instanz. Mein Account ist @gerritflensburg@social.tchncs.de. Auch eine Suchfunktion gibt es.

Im Browser sieht Mastodon aus wie Tweetdeck, was einige Twitterer kennen dürften. Links findet sich der eigene Account, wo man das eigene Profil einrichten kann und Statusmitteilungen verfassen kann. Hier „tweetet“ man nicht, hier „twootet“ der Nutzer. Auch retweeten ist möglich. Das heißt in der Regel „Boost“. Allerdings kann sich jede Instanz eigene Bezeichnungen ausdenken. Wo Twitter heute das Herzchen für „Gefällt mir“ eingerichtet hat, setzt Mastodon auf das früher bei Twitter genutzte Sternchen. Es ist daher als Favorisierung zu verstehen.

In der Hauptansicht, werden dann die Postings aller Follower in der „Home“-Spalte angezeigt. Daneben ploppen die Benachrichtigungen auf. Dann gibt es noch zwei Timelines, die sich „Local“ und „Federated“ nennen. Dort findet man alle öffentlichen Postings im Mastodon-Netzwerk.

Beim Posten lässt sich wie bei Facebook einstellen, ob der Post lediglich für die eigenen Follower gesendet werden soll oder für alle. Das kleine „CW“ steht für „Content Warning“, also Inhaltswarnung. Andere Nutzer können dann überlegen, ob sie den Inhalt wirklich sehen möchten.

Für Mastodon gibt es auch Apps fürs Smartphone. Für Android gibt es zum Beispiel „Tusky“ oder „mastodroid“, für Apples iOS „Amaroq“. Das Problem, was alle neuen sozialen Netzwerke haben, hat auch Mastodon – trotz Hype. Es ist schwer, die eigenen Twitter-Follower zu bewegen, sich ein neues Netzwerk zuzulegen. Dabei ist es doch eigentlich reizvoll, einem öffentlichen, dezentralen Netzwerk beizutreten, das keiner großen Firma gehört und wo die Daten nicht zu Werbezwecken verkauft werden.

Und noch einen Nachteil gibt es. Mein Name und mein Account sind nun untrennbar mit dem Server „social.tchncs.de“ verbunden. Ich habe ihn aus der Liste willkürlich gewählt und weiß doch nichts über den Betreiber. Am Ende ist Mastodon nichts für den Ottonormalverbraucher, denn dafür ist es zu kompliziert. Wer nicht mit Twitter klarkommt, wird seine Problemchen mit Mastodon haben. Die Gefahr ist groß, dass das Mastodon, eine Mammut-Art, ein zweites Mal ausstirbt.

Wirklich profitieren können vom Mastodon-Hype wohl nur die Kollegen der Band aus den USA. Die bringen gerade ihr neues Album „Emperor of Sand“ unter die Leute und treten am 28. Juni in den Docks in Hamburg auf. Einige verwirrte Twitter-Nutzer, die sich fragten, was denn Mastodon sei, klärte die Band auf.