Influencer im Strampelanzug "Kinderarbeit": Aktivistin kämpft gegen Fotos von Kindern auf Instagram

Von Lorena Dreusicke | 15.02.2020, 09:47 Uhr

Es darf nicht sein, dass Eltern ihre Kinder auf Instagram vermarkten, so Toyah Diebel. Sie fordert eine Gesetzesreform.

Los ging es mit der Geschäftsidee einen Mama- oder Papablog zu betreiben, mittlerweile sind viele Blogger zu sozialen Netzwerken wie Instagram gewechselt. Dort dokumentieren sie ihr Familienleben mehr oder weniger ungeniert – und öffentlich sichtbar für alle. Das kann lukrativ sein, wenn eine fotogene Familie eine große Online-Anhängerschaft hat, sodass sich Werbepartner bei ihr melden. Genau da beginnt Kinderarbeit, meint Toyah Diebel, selbst Influencerin und Mutter, aber scharfe Kritikerin des Zurschaustellens des eigenen Nachwuchses im Internet.

"Mama-Glow outside, Verstopfung inside" – die Berlinerin teilt auf Instagram (@toyahgurl) seit fast fünf Jahren satirisch aus gegen Schönheitsideale, verfälschte Instagram-Realitäten und eben #instakids. Sie meint, wenn niedliche Babys und Kleinkinder mit Produkten fotografiert werden, mit denen die Eltern Geld verdienen, dann sei das Kinderarbeit.

"Es wird eine wirtschaftliche Tätigkeit von den Kindern ausgeführt, die von keiner Instanz kontrolliert wird", so ihr Vorwurf. Und sie nennt Beispiele: Neugeborene werben für Strampler, Zweijährige präsentieren extra-saugstarke Windeln oder posieren mit Mama für ihre neue Schmuck-Kooperation.

Auch wenn viele deutsche Mama-Bloggerinnen die Gesichter ihrer Kinder auf den geposteten Bildern verbergen, gebe es doch tausende fragwürdige Fälle: "Es werden ganze Accounts und Channels rund um das Leben des Kindes erstellt, gefüllt mit Productplacements und Rabattcodes, von niemandem reguliert oder bewacht: Außer den Eltern", so Diebel, die seit ihrer viralen Kampagne #DeinKindAuchNicht 2019 auch schon in mehreren Fernsehshows für Kinderschutz warb.Petition für ein zeitgemäßeres Arbeitsschutzgesetz

In dieser Woche hat Diebel eine Petition gestartet namens "#DigitaleKinderarbeit braucht Regeln". Innerhalb von vier Tagen meldeten sich mehr als 20.000 Unterstützer. Für eine öffentliche Beratung im Petitionsausschuss in Berlin sind 50.000 notwendig. Diebels Appell richtet sich aber auch direkt an Arbeitsminister Hubertus Heil, Justizministerin Christine Lambrecht und Familienministerin Franziska Giffey. Mit ihrer Petition fordert die Aktivistin eine Anpassung des Jugendarbeitsschutzgesetzes.

„Es gibt klar definierte Gesetze, wann und wie oft ein Kind vor der Kamera arbeiten darf. Diese sind aber überhaupt nicht kompatibel mit den sozialen Medien, ich würde fast von einer Grauzone sprechen – das darf einfach nicht sein.“
Toyah Diebel zu ze.tt

Das bisherige Gesetz verbietet, dass Kinder, die jünger als drei Jahre sind, für Medienformate vor der Kamera stehen. Allerdings falle das Fotografieren in Alltagssituationen – Produktplatzierung hin oder her – nicht unter dieses Verbot, gab auch schon eine Arbeitsgruppe des Bundesarbeitsministeriums 2011 zu bedenken:

„Die Regelung sagt nichts darüber aus, ob Kinder unter drei Jahren in ihrer natürlichen Lebensäußerung beim Gehen, Essen, Schlafen und Spielen o. ä. fotografiert oder gefilmt werden dürfen, da dies keine Beschäftigung im Sinne des Gesetzes ist.“
Unterarbeitsgruppe "Kinder in den Medien" des BMAS

Kinderhilfswerk fürchtet Aufweichung des Kinderschutzes

Auch dem Deutschen Kinderhilfswerk ist das Phänomen "Mini-Influencer" ein wenig unheimlich. "Da geht es um Persönlichkeitsrechte, Privatsphäre und die Instrumentalisierung von Kindern", sagt Luise Meergans, Bereichsleiterin für Kinderrechte und Bildung der Deutschen Presse-Agentur. "Schon Dreijährige wehren sich gegen Fotos und sagen: Mach das weg", sagt Meergans. "Kinder haben auch ein ganz anderes Verständnis von Niedlichkeit und Peinlichkeit als Erwachsene." Doch oft würden sie wahrscheinlich gar nicht gefragt, bevor ein Film mit ihnen im Netz landet. "Ich habe als Kind aber einen Anspruch darauf, dass meine Eltern mich fragen, ob ich das überhaupt will", betont die Kinderschützerin.

Sie sieht auch Facebook und Youtube in der Verantwortung, wenn Familien auf ihren Portalen ein öffentliches Leben führen. "Auch die Anbieter verdienen damit Geld. Aber es gibt bisher keinen Meldemechanismus und keine Kontrollinstanz." In dem Punkt sieht sie auch Regulierungsbedarf für Werberäte und wünscht sich insgesamt mehr Kontrollinstanzen – sowie mehr Verantwortung bei Eltern.

Toyah Diebel hat vor ein paar Monaten ihr erstes Kind bekommen. Auf ihrem Instagram-Kanal wird es natürlich keine Bilder von ihrem Nachwuchs zu sehen geben, betonte sie im Interview mit "ze.tt". "Einfach, weil ich meinem Kind die Wahl lassen möchte, ob es das überhaupt möchte", erklärt sie. "Wenn es alt genug ist, soll es selbst darüber entscheiden dürfen, so wie ich selbst auch die Wahl hatte."

(mit dpa)

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