Der hohe Norden als Drehkreuz für Innovationen? Der Wille ist da, an der Umsetzung hapert es noch. Auf dem ersten Barcamp in Flensburg soll es frische Impulse geben.
„Traditionen soll man pflegen“ – so kündigen die Initiatoren im Internet das inzwischen achte Barcamp in Kiel an. Von Traditionen ist man 90 Kilometer weiter nördlich noch weit entfernt. Die etwas andere Fachkonferenz – auch „Unkonferenz“ genannt – schafft es am kommenden Wochenende das erste Mal nach Flensburg.
Jedes Mal sei man von den Barcamps in Kiel oder Hamburg „total euphorisch“ zurückgekommen, erzählt Sebastian Müller. „Wir hatten so viele Ideen, die wir umsetzen wollten.“ Auf Initiative von Müller sowie Simon Hansen und Phil-Bastian Berndt kommen am nächsten Freitag und Sonnabend im Technologiezentrum der Wirtschaftsförderung Wireg je 150 engagierte und aufgeschlossene Menschen zusammen, um Ideen und Probleme in den Bereichen Technologie, Medien und Entrepreneurship zu diskutieren.
Frische Impulse bekommen – das ist die Kernidee des Formats Barcamp. Dafür brechen die Treffen mit Konventionen: es gibt keine Hierarchien, Vorträge von Experten, Talkrunden oder ein festes Programm. Das einzige, was vorab feststeht, sind Veranstaltungsbeginn, die Mahlzeiten und das „Du“. Welche Themen diskutiert werden, wird per Handzeichen abgestimmt. „Das ist aber keine Schüler- und Studentenparty“, sagt Dirk Wieland, Geschäftsführer der Flensburger Firma Mac IT-Solutions und Vorstandsmitglied des landesweiten Netzwerks der digitalen Wirtschaft (DiWiSH). Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik werden dort sein und sich einbringen – eine Voraussetzung für die Teilnahme am Barcamp. Das Konzept kommt an: Alle Plätze sind inzwischen ausgebucht.
Auch Wieland selbst hofft auf frische Meinungen zu einem bestimmten Thema, bei dem er großen Verbesserungsbedarf sieht: Vernetzung. Otten erzählt von einem Fall, in dem sich zwei Unternehmen aus der Region bei einem gemeinsamen Kunden im spanischen Barcelona über den Weg liefen – ohne von dieser Verbindung etwas zu ahnen. Dabei sei es oft sinnvoll, Kräfte zu bündeln.
Unternehmen seien in der digitalen Wirtschaft in und um Flensburg bereits viele vorhanden: Allein im Technologiezentrum hätten elf IT-Unternehmen ihr Zuhause, in unmittelbarer Nachbarschaft seien weitere 20 Firmen angesiedelt, zählt Otten auf. Keine Cluster-Region, sagt der Wireg-Chef, doch es handele sich um „mehr als nur eine kleine Pflanze“. Dennoch sei der Bedarf an Fachkräften nicht gedeckt. Künftig gehe es darum, überregional sichtbarer zu werden, zu zeigen, dass die Region zusätzlich mit einer hohen Lebensqualität aufwarte. „Langsam wächst hier ein Selbstbewusstsein heran“, sagt Wieland.
Dass die Bedeutung des Themas erkannt wird, machen die Organisatoren mitunter an der Liste der inzwischen 22 Sponsoren fest. Neben der Wireg, Mac IT-Solutions, dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag und weiteren sei auch die Kieler Staatskanzlei an der Finanzierung des Barcamps beteiligt, sagt Otten: „Die Region hat darauf gewartet.“
Hansen, Müller und Berndt gehören nach ihrem Informatikstudium inzwischen zu jenen jungen Unternehmensgründern, von denen sich der Standort Aufwind erhofft. Unter dem Namen „Sourceboat“ bieten die drei Entwickler individuelle Softwarelösungen für Unternehmen an. Zu den Kunden gehören auch Agenturen aus Kiel und Hamburg. Der Kontakt entstand – wen wundert’s – auf einem Barcamp.