Behauptungen im Faktencheck Zweifelhaftes 5G-Warnvideo von Sektenführer kursiert bei Whatsapp

Von Mark Otten | 05.02.2019, 21:29 Uhr

Mit drastischen Worten warnt der Clip vor dem kommenden Mobilfunktstandard 5G. Das Video im Faktencheck.

Das Video sein ein "dringender Weckruf", heißt es im Titel. Denn: Der LTE-Nachfolger 5G sei nichts Geringeres, als "der gravierendste Eingriff des Menschen in die Natur in der gesamten Menschheitsgeschichte". Durch die vielen Funktürme entstünde ein "Strahlentsunami", bei Tests in den Niederlanden wären hunderte gesunde Vögel tot von den Bäumen gefallen, so der Sprecher. Durch 5G würde außerdem eine komplette Überwachung ermöglicht, die sogar Wände durchdringen und jeden beweglichen Punkt verfolgen könne. Das Video sei eine Gegenstimme zur allgemeinen Berichterstattung der "sogenannten Qualitätsmedien", heißt es abfällig.

Seriöse Optik, fragwürdige Aussagen

Der Clip gibt sich professionell und imitiert einen Beitrag einer Nachrichtensendung, der Moderator bleibt allerdings anonym. Ein Einspieler – gespickt mit Warnungen vor 5G – wirkt hochwertig produziert. Doch der Schein der Seriosität trügt. Urheber des Videos ist der Kanal Klagemauer TV. Der gehört zum Netzwerk des Schweizer Sektenführers Ivo Sasek und dient als Propagandaorgan. Denn abgesehen von seinen Sektenaktivitäten ist Sasek Verschwörungstheoretiker und Vertreter rechtsextremer Ideologien. Dennoch: Allein auf Youtube haben binnen einer Woche seit Veröffentlichung rund 250.000 Menschen den Clip gesehen und rund 5000-mal auf "Gefällt mir" geklickt. Auf Whatsapp wird der Clip derzeit verstärkt weitergeleitet. Doch viele der im Video erhobenen Vorwürfe halten einem Faktencheck nicht stand. (Weiterlesen: Warum hysterische Eltern mit Gerüchten über Vorfälle an Schulen Panik verbreiten)

Was genau ist 5G überhaupt?

Das Kürzel steht für 5. Mobilfunkgeneration. Dieser soll beim Herunterladen von Inhalten rund 100 Mal schneller sein als eine gute LTE-Verbindung. Wichtig ist die sogenannte Latenzzeit, also die Verzögerung bei der Übertragung, – die könnte bei nur einer Millisekunde liegen und damit fast Echtzeitübertragung bieten.

Tötet 5G-Strahlung Vögel?

Nein. Die im Video angesprochenen Vorfälle in Den Haag sind völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Wie der auf Internet-Falschmeldungen spezialisierte Verein Mimikama berichtet, gab es die toten Vögel in den Niederlanden zwar, die im Video genannten 5G-Tests allerdings nicht. Außerdem waren nicht alle Vögel betroffen, sondern ausnahmslos Stare – und die starben auch nicht plötzlich, wie behauptet wird.

Werden 800.000 neue 5G-Masten gebaut?

Nein. Den im Video genannten "Antennenwald" in ganz Deutschland wird es nicht geben. Zwar würde ein flächendeckendes 5G-Netz im gesamten Bundesgebiet auch nach einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste rund 750.000 Masten benötigen, doch das ist ein theoretischer Wert für die komplette 5G-Abdeckung des Landes mit nur einem bestimmten Frequenzspektrum – und das ist so nicht geplant. Besonders in ländlichen Region setzten die Anbieter zunächst darauf, das LTE-Netz auszubauen, da es deutlich größere Flächen abdecken kann. Laut Bundesnetzagentur standen hierzulande Anfang 2018 rund 74.000 mit Funkmasten mit Mobilfunksendern. Diese bestehenden Sender können im Laufe der Jahre auf 5G umgerüstet werden.

Möglich ist jedoch, dass vor allem an Autobahnen und viel genutzten Bundesstraßen, wo autonom fahrende Autos und Lkw die ultraschnelle 5G-Verbindung nutzen sollen, und in Ballungsräumen und Industriestandorten, wo möglichst viele Geräte in das Internet der Dinge eingebunden werden sollen, deutlich mehr Antennen aufgestellt werden als bislang. Besonders in Städten werden dazu aber Antennen auf Hausdächer montiert, keine haushohe Funkmasten. Außerdem gibt es Pläne für Mini-Antennen, die zum Beispiel auf Laternen montiert werden können. (Weiterlesen: 5G-Mobilfunk – wie schnell es ist und woran es beim Ausbau hakt)

Ist 5G-Strahlung gefährlich für Menschen?

Unklar. Das Video warnt vor einer "dramatischen Erhöhung der Strahlenintensität", die durch eine "1000-fach gesteigerte Sendeleistung" entstehe; die Strahlung sei höchstwahrscheinlich krebserregend. Dazu sagte Inge Paulini, Präsidentin des Bundesamts für Strahlenschutz (BSI): "Wenn der Aufbau der nötigen Infrastruktur umsichtig erfolgt, sind auch durch 5G keine gesundheitlichen Wirkungen zu befürchten." Bei Einhaltung der Grenzwerte sei nach dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand keine gesundheitsrelevanten Wirkungen zu erwarten. Allerdings sieht das BSI Forschungsbedarf, was die für 5G geplante Nutzung zusätzlicher Frequenzbänder angeht. (Weiterlesen: 5G-Mobilfunknetz: Müssen wir Angst vor gesundheitlichen Folgen haben?)

Warum ist die Technologie so wichtig?

5G ist vor allem für die Wirtschaft wichtig und soll die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland sichern. Bisher hinkt Deutschland in Sachen schnelles Internet hinterher, mit dem neuen Standard soll das anders werden – die Bundesrepublik solle zum "Leitmarkt" für 5G werden, heißt es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung.

5G betrifft viele Branchen: Autobauer setzen auf autonom fahrende Autos und Lkw, die auch dank 5G-Datenübertragung genau Bescheid wissen über das Glatteis in der nächsten Kurve – schließlich bekommen sie die Info vom vorausfahrenden Fahrzeug quasi in Echtzeit. Die Industrie setzt auf Maschinen, die dank der Datenströme untereinander besser kommunizieren und Arbeitsabläufe verbessern, und Logistiker wissen genau um die Laderaum-Kapazitäten ihrer Lastwagen auf den Straßen.

Was haben die privaten Verbraucher von 5G?

Zumindest zur Startphase von 5G recht wenig. Zum einen sollen erst 2019 die ersten 5G-fähigen Smartphones erscheinen. Zum anderen reicht für die Anforderungen der meisten Verbraucher ein gut ausgebautes LTE-Netz ohne Funklöcher. (Weiterlesen: Neue Funktion: So schützen Sie Whatsapp-Chats vor unerwünschten Blicken)

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