Die Berufsberater Kerstin Harms und Dietmar Schöer von der Agentur für Arbeit im Interview rund um die Themen Berufsberatung und Jobwahl.
ANZEIGE // Er soll zu den Kompetenzen und Interessen passen, gute Perspektiven bieten und Freude bereiten – die Wahl eines Berufes ist ein wichtiges Thema für Jugendliche. Informationen liefert die Messe Azubiz, am Freitag, 22. September, von 8.30 bis 13 Uhr im Regionalen Berufsbildungszentrum in Itzehoe. Worauf es bei der Jobwahl und insbesondere bei einer Berufsberatung ankommt, schildern die Berufsberater Kerstin Harms und Dietmar Schöer von der Agentur für Arbeit.
Wie läuft eine Berufsberatung ab?
Dietmar Schöer: In erster Linie geht es um die Interessen und Fähigkeiten – wir schauen daher zunächst einmal, was der Jugendliche mitbringt, was er gerne in seiner Freizeit macht und wie weit er beruflich überhaupt schon orientiert ist. Wichtig ist aber auch zu wissen, welchen Schulabschluss er bereits hat oder anstrebt, wie die Noten sind und welche Stärken vorhanden sind.
Was sind die Vorteile einer Berufsberatung?
Kerstin Harms: Das ist ganz klar die individuelle Beratung. Im Gegensatz zu den Jugendlichen oder den Eltern kennen wir alle Berufe. Viele Jugendliche haben eine ganz andere Vorstellung von Wunsch und Wirklichkeit – es gibt zum Beispiel das Mädchen, das Pferdewirtin werden möchte, weil es den Beruf aus seiner Lieblingssendung kennt. Eines von vielen Beispielen. Wir unterstützen diese starken Interessen dann mit fundierten Tests, in denen sich aber auch zuweilen herausstellt, dass der Wunschberuf doch nicht zu dem Jugendlichen passen würde. Zudem schauen wir ganz genau, ob der Jugendliche überhaupt schon reif für eine Ausbildung ist. Wir raten dann zu einem Überbrückungsjahr, sodass sich Selbstständigkeit und Orientierung des Jugendlichen weiter entwickeln können. Niemals würden wir jemanden in einen bestimmten Beruf drängen, nur weil in diesem gerade Fachkräfte gesucht werden.
Wie können Eltern und Lehrer ihre Kinder und Schüler auf das Arbeitsleben vorbereiten?
Harms: Eltern kennen ihr Kind ganz gut, wissen um die Charaktereigenschaften und Stärken und sollten auch gerne mit dem Kind ins Gespräch gehen. Aber: Eltern sind meist auch zu nah dran und sollten diese Beratung daher den Profis überlassen. Denn: Der junge Mensch steht mit seinen individuellen Anliegen im Fokus.
Schöer: Dafür sind wir fast wöchentlich an den Schulen zur Beratung, aber auch die Schulen selbst haben die Möglichkeit, über die Berufsorientierungsprogramme des Landes an die Schüler heranzutreten. Zudem sollten sie den Schülern den Freiraum für Berufsorientierung und Praktika sowie für Messen wie die Azubiz geben. Ich persönlich möchte nicht die Feuerwehr sein, die schnell hilft – vielmehr möchte ich Beratungsbeziehungen mit Schülern ab der achten Klasse aufbauen. Ganz wichtig ist außerdem die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Schule, Eltern und Berufsberater.
Was können Jugendliche tun, um ihren Traumjob zu finden?
Schöer: Indem sie gleich mehrere Praktika absolvieren, auch mal in den Ferien. Aber auch der Besuch von Messen und die Ausübung von Nebenjobs tragen dazu bei. Wichtig ist aber auch, dass Jugendliche sich mit der Ausbildung auseinandersetzen und keine Konsumentenhaltung einnehmen und sich auf andere verlassen. Mein Empfinden ist, dass das in den letzten Jahren stärker geworden ist. Jugendliche müssen lernen, selbst Initiativen zu ergreifen. Auch sollten sie wissen, dass eine betriebliche Berufsausbildung ein sehr guter Grundstein für eine erfolgreiche berufliche Karriere ist. Fachkräfte werden gesucht und dringend am Arbeitsmarkt benötigt.
Suchen eigentlich noch viele Jugendliche das klassische Beratungsgespräch?
Schöer: Mehr denn je. Seit Corona. Ich stelle auch in den Schulklassen eine größere Aufmerksamkeit und Ernsthaftigkeit fest.
Harms: Viele fühlen sich im Internet in dem ganzen Informationsüberfluss inzwischen verloren. Daher kommen häufig Jugendliche mit dem Beratungsanliegen „Helfen Sie mir bei der Entscheidungsfindung“ direkt zu uns.
Wie sollte eine gute Berufsberatung aussehen?
Harms: Das Wichtigste ist, den Jugendlichen unvoreingenommen anzunehmen und ihn erzählen zu lassen. Nur so merke ich, wen ich vor mir habe. Meine Kollegen und ich sind Profis genug, um zu erkennen, ob ich einen schüchternen, zurückhaltenden Jugendlichen vor mir habe oder doch eher einen, den ich erst einmal von seinen Wunschvorstellungen runterholen muss. Man muss jeden Einzelnen annehmen, wie er ist und sich auf ihn einlassen. Schließlich geht es nicht darum, was nach meinen Vorstellungen der beste Beruf für ihn ist, sondern was für ihn der beste Beruf ist.
Und was ist die lebensbegleitende Berufsberatung?
Schöer: Wir sind für Jugendliche vor dem Erwerbsleben genauso da wie für Ausbildungs- und Studienabbrecher oder Erwachsene, die Beratungsbedarf im beruflichen Sinne haben.