Fragen und Antworten im Überblick: Dr. Fabian Geyer, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands, im Interview.
Dr. Fabian Geyer und sein Team vom Arbeitgeberverband Flensburg-Schleswig-Eckernförde beraten Unternehmen der Region in Rechtsfragen. Der Verband zählt aktuell über 380 Mitglieder und hat es sich zum Ziel gemacht, die regionale Wirtschaft zu stärken. Im Interview beantwortet Dr. Geyer die häufigsten Fragen zum Thema Arbeitsrecht in Zeiten der Coronapandemie.
Herr Dr. Geyer, darf der Arbeitgeber fragen, ob und wann ein Angestellter geimpft ist?
Diese Frage ist ganz schwer zu beantworten. Da geht es in den privaten Bereich hinein, aber zugleich muss der Betrieb den Arbeits- und Gesundheitsschutz beachten. Hier muss differenziert werden. Habe ich Mitarbeiter, die Dienstreisen ins Ausland machen? Die regelmäßig nach Dänemark fahren oder gar Grenzpendler sind? Hier habe ich als Arbeitgeber ein berechtigtes, einzelfallbezogenes Interesse zu erfahren, ob derjenige bei seiner Rückkehr nach Deutschland in Quarantäne muss, oder ob ihm diese als Geimpfter erspart bleibt.
Eine generelle Abfrage des Impfstatus halte ich für schwierig, da die Impfung an sich eine private und individuelle Entscheidung des Einzelnen ist. Wenn jemand im Innendienst beschäftigt ist oder im Einzelbüro sitzt, ist das etwas anderes, als wenn jemand beruflich viel Kontakt zu anderen Menschen hat. Ich kann den Arbeitgebern nur empfehlen diese Abfrage freiwillig zu starten. Und von Arbeitnehmern wiederum wünsche ich mir Verständnis dafür, dass ein Unternehmen erfahren möchte, wie hoch die Impfquote in der Belegschaft ist. Denn nur so kann es einschätzen, wie hoch der Schutzbedarf ist.
Darf der Arbeitgeber mich zur Impfung zwingen, wenn ich im Büro arbeiten möchte, so wie Google und Facebook dies in den USA möchten?
Nein. Eine Impfpflicht ist arbeitsvertraglich nicht durchsetzbar. Es wird aber in einzelnen Branchen so sein, dass wenn sich Mitarbeiter nicht impfen lassen wollen, genau geprüft werden muss, ob diese Personen ihre Arbeit unter Pandemiebedingungen noch ausführen können. Das gilt auch unabhängig von Corona: Ein Mitarbeiter muss sogar damit rechnen seine Arbeitsstelle zu verlieren, wenn er seinen Vertrag ohne ausreichenden Impfschutz nicht erfüllen kann.

Darf der Arbeitgeber Urlaubsreisen im In- oder Ausland verbieten?
Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterliegen dem Rücksichtnahmegebot, woraus eine Mitteilungspflicht resultiert. Der Arbeitgeber darf fragen, ob ein Angestellter in ein Hochrisikogebiet fährt, aber nicht konkret wohin. Wenn ein Mitarbeiter in ein Hochrisikogebiet mit hoher Ansteckungsquote fährt, muss er aus Gründen der Rücksichtnahme von sich aus mitteilen, dass er das tut. Der Arbeitgeber muss prüfen können, ob es dort besondere Quarantäne-, Einreise und Ausreisebestimmungen gibt.
Wenn ein Mitarbeiter schon weiß, dass er bei seiner Rückkehr in Quarantäne muss, wenn er in ein bestimmtes Urlaubsgebiet fährt, hat er sein anschließendes Fehlen bei der Arbeit schon mit eingeplant. Das heißt, der Arbeitgeber muss die versäumten Arbeitstage nicht bezahlen, wenn ein Angestellter willentlich in ein Hochrisikogebiet fährt. Abgesehen von dieser Ausnahme hat der Arbeitgeber aber generell nicht das Recht zu erfragen, wo genau sich der Arbeitnehmer in seiner Freizeit oder im Urlaub aufhält.
Darf der Arbeitgeber einen Einfluss darauf nehmen, was ich nach Feierabend oder am Wochenende mache?
Grundsätzlich ist diese Frage zu verneinen. Der Arbeitgeber hat keinerlei Recht zu erfahren, was der Arbeitnehmer in seiner Freizeit tut und wo er sich aufhält. Es gibt aber Ausnahmen, in denen das betriebliche Interesse berührt sein kann, weil ich in meiner Freizeit etwas tue, das meine Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen kann. Extreme Sportarten mit hoher Unfallgefahr etwa. Ein Arbeitgeber darf seine Mitarbeiter zum Beispiel auch nicht zwingen sich gesund zu ernähren, Sport zu machen oder sich nicht mit bestimmten Leuten an bestimmten Orten zu treffen. Entscheidend ist, dass der Mitarbeiter pünktlich und möglichst arbeitsfähig ist. Wenn also jemand jede zweite Nacht in der Disko und chronisch übermüdet ist, darf ich das untersagen. Auch private verfassungsfeindliche und strafbare Tätigkeiten mit Außenwirkung können den Ruf des Unternehmens gefährden und vertraglich verboten sein.
Darf der Arbeitgeber verlangen, dass seine Angestellten Coronatests machen, bevor sie ins Büro kommen?
Im Rahmen der Corona-Arbeitsschutzverordnung gibt es bis zum 10. September für Arbeitgeber noch die gesetzliche Pflicht, im Betrieb zweimal wöchentlich für alle vor Ort Arbeitenden Schnell- oder Selbsttests anzubieten – außer für Durchgeimpfte und Genesene. Das ist eine Sondersituation in der Pandemiezeit, die einen hohen logistischen und finanziellen Aufwand für den Arbeitgeber bedeutet. Die Angestellten sind jedoch vom Gesetz her nicht verpflichtet das Testangebot wahrzunehmen. Ich denke aber schon, dass solange die Inzidenzwerte relativ hoch sind und wir in Europa eine ungeklärte Pandemielage haben, der Arbeitgeber auch ohne eine gesetzliche Grundlage einen negativen Test seiner Angestellten verlangen darf.
Weigert sich ein Mitarbeiter sich testen zu lassen, muss er sich die Frage gefallen lassen, ob er einen hinreichenden Grund dafür hat. Hat er keinen, riskiert er, solange diese diffuse Gefahrenlage besteht, dass er bestimmte Aufgaben nicht übernehmen kann, die eigentlich zu seinem Job dazugehören. Etwa, wenn ein Dienstleister nicht zu seinem Kunden fahren kann, weil dieser nur Getestete auf sein Grundstück lässt oder man von bestimmten Arbeitsbereichen ausgeschlossen ist. Kann ein Angestellter seine Arbeitsleistung nicht erbringen, weil er sich nicht testen lässt, riskiert er, dass der Arbeitgeber ihn auch nicht bezahlt bzw abhmahnt.
Ab 11. Oktober werden Corona-Tests kostenpflichtig außer für diejenigen, die nicht geimpft werden können oder für die es keine Impfempfehlung gibt. Wenn nun ein Arbeitgeber verlangt, dass man getestet zur Arbeit kommt, muss dann der Angestellte die Tests bezahlen?
Wenn das Testen kostenpflichtig wird und der Arbeitgeber weiter von seinen Angestellten verlangt, sich zum Beispiel einmal pro Woche testen zu lassen, dann sind die Kosten dafür vom Arbeitgeber zu tragen, da es sich um eine Arbeitsschutzmaßnahme hält. Auch wenn der Betrieb einen PCR-Test verlangt, muss dieser vom ihm bezahlt werden.
Darf der Arbeitgeber Quarantäne anordnen?
Nein, das ist Sache der Behörden und Gesundheitsämter. Sie haben die Befugnis Quarantäne und damit ein zuhause-Bleiben anzuordnen, wenn ein Corona-Verdachtsfall besteht oder jemand Kontakt zu einer infizierten Person hatte. Geht ein Mitarbeiter von sich aus in Quarantäne, muss man die Frage stellen, ob diese Vorsichtsmaßnahme berechtigt war. War entgegen seiner Meinung eine zumutbare Arbeitsleistung möglich, geht der Mitarbeiter das Risiko ein, dass sein Lohn nicht fortgezahlt wird und er eine Abmahnung bekommt wegen unerlaubten Fehlens. Wenn wiederum ein Arbeitgeber aus Sicherheitsgründen „Quarantäne“ anordnet, obwohl ein Beschäftigter weiter bereit und in der Lage war zu arbeiten, handelt es sich um eine Freistellung von der Arbeit, für die der Arbeitgeber das Lohnzahlungsrisiko trägt.
Dürfen innerhalb eines Unternehmens zwischen den Abteilungen Unterschiede gemacht werden, oder gelten für alle die gleichen, coronabedingten Regeln?
Es ist jedem Unternehmen selbst überlassen, wie es seine Angestellten führt. Dass alle die gleiche Behandlung erfahren, ist in großen Unternehmen selten. Verantwortung wird meist dezentral organisiert – und das sollte auch so sein, das ist die moderne Führungsform, von der auch ich ein großer Fan bin. Dennoch gilt ein allgemeiner arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz: Der Arbeitgeber darf bei generellen Maßnahmen nur unterscheiden, wenn es dafür einen nachvollziehbaren Grund gibt. Wenn er differenziert, etwa indem er Geimpften mehr Rechte zubilligt als anderen, ist das eine Unterscheidung, die erklärungsbedürftig ist. Wenn ich sage, dass sich Durchgeimpfte zum Beispiel in der Kantine freier bewegen dürfen oder nur anlassbezogen Tests machen müssen, dann halte ich das aber für sachlich gerechtfertigt.
Was gilt im Zweifel? Die Vorgaben des Arbeitgebers oder die des Landes Schleswig-Holstein?
Hier gilt ein Grundsatz, den sich jeder Arbeitnehmer merken sollte: Der einzige objektive Grund, weshalb man mit seinem Unternehmen zusammenkommt, ist der Arbeitsvertrag. Der Arbeitgeber hat im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen das Weisungsrecht zu entscheiden, wie der Arbeitnehmer die geschuldete Leistung zu erbringen hat. Er bestimmt den Inhalt, Arbeitsort und die -zeit im Rahmen des beiderseitig unterschriebenen Vertrages. Was die Politik entscheidet, spielt erstmal keine Rolle. Das ganzen emotionalen Debatten „wie werde ich hier behandelt“ sind für die Beantwortung der allermeisten Fragen nicht hilfreich und bedienen lediglich subjektive Befindlichkeiten.
Wenn man eine Maßnahme des Arbeitgebers infrage stellt, sollte man als erstes in den Arbeitsvertrag schauen. Darin sollte grundsätzlich stehen, welche Rechte und Pflichten man hat und welchge nicht. Ist eine Maßnahme, zum Beispiel im Bereich des Infektionsschutzes, nach Überzeugung des Mitarbeiters nicht zulässig, kann er sich zusätzlich die Verordnungen des Landes anschauen und nachschlagen, was der Arbeitgeber bei seinen Weisungen zu beachten hat. Wenn da ein Widerspruch ist oder etwas unklar geregelt, geht man erstmal ins Gespräch. Das steht jedem Arbeitnehmer zu. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer hierfür niemals maßregeln und ihm das Wort verbieten, sondern muss das, was der Arbeitnehmer sachlich vorlegt, prüfen. Findet ein solcher Austausch nicht statt oder geht der Arbeitnehmer gleich in die sozialen Medien, was ich als verpasste Chance und Fehlen von Respekt sehr bedaure, oder lässt man sich nicht von Argumenten überzeugen, kann und darf sich der Arbeitnehmer an seine Gewerkschaft, den Betriebsrat oder einen Rechtskundigen wenden und gegebenenfalls den Streitpunkt gerichtlich überprüfen lassen. Das sollten Arbeitgeber auch akzeptieren und nicht nachtragend sein.