Der gelernte Journalist Bernd Philipsen beschäftigt sich seit vielen Jahrzehnten mit der Geschichte der jüdischen Minderheit, vor allem im nördlichen Schleswig-Holstein. Seine Forschungsergebnisse veröffentlicht er in zahlreichen Büchern und Schriften. Um sein unermüdliches Wirken zu ehren, hat die Jury des Fördefuchses ihn in diesem Jahr mit dem Preis des Arbeitgeberverbands Flensburg-Schleswig-Eckernförde bedacht.
ANZEIGE // Selbst im Mittelpunkt zu stehen, das ist eigentlich nichts für Bernd Philipsen. Viel lieber erzählt und schreibt der 81-Jährige über das Leben anderer Menschen. Nun steht der ehemalige Zeitungsredakteur selbst im Fokus: Er wird mit dem Fördefuchs geehrt. Der Fördefuchs ist ein Preis, den der Arbeitgeberverband Flensburg-Schleswig-Eckernförde seit 2008 auslobt. Geehrt werden damit Personen, die in ihrer Region wirken und deren Leistungen auch weit darüber hinaus strahlen.
Auseinandersetzung mit dem Thema seit fast 60 Jahren
Angefangen hat alles in den frühen 1960er Jahren. Bernd Philipsen, der ursprünglich aus Schleswig stammt, absolvierte bei einem Verlag in Südwestdeutschland ein Volontariat. „Hier wurde ich zum ersten Mal mit dem Thema konfrontiert“, erinnert sich Philipsen. Die Zeitung, bei der er das Handwerk eines Redakteurs erlernte, hatte eine besondere Geschichte, von der Bernd Philipsen erst im Laufe seiner journalistischen Ausbildung erfuhr: „Im Jahr 1936 wurde die Zeitung ‚arisiert‘. Mit diesem Begriff muss man sehr sensibel umgehen. Er bedeutet, dass die Zeitung, die einer jüdischen Familie gehörte, dieser in der Zeit des Nationalsozialismus einfach geraubt wurde.“ Das Blatt fiel also in die Hände eines nichtjüdischen Verlagskaufmanns. „Das Besondere war, dass der Sohn der einst beraubten jüdischen Verlegerfamilie nach dem Krieg mit dem Profiteur dieser Enteignung, dem die Zeitung nach wie vor gehörte, unter einem Dach arbeitete“, erklärt Philipsen. Im Interesse der Zeitung hätten sich die beiden arrangiert. „Diese Situation war für mich ungewöhnlich. In dieser Zeit wurde mein besonderes Interesse für das Thema geweckt“, berichtet der Autor.
1968 verschlug es Bernd Philipsen an die Förde zum Flensburger Zeitungsverlag. Auch hier setzte er seine Recherchen zur Geschichte der jüdischen Minderheit fort: „Die Zeitung ließ mich gewähren mit meinen Themen, ich durfte sie immer veröffentlichen.“ Was hingegen schwierig war, war die Recherche. „Es war eine Zeit des Aufbruchs, des Wiederaufbaus. Man wollte sich nicht mit der Vergangenheit belasten“, nahm Philipsen die damalige Stimmung wahr. Insbesondere beim Stadt- und Landesarchiv stieß er zunächst auf taube Ohren. „Hier wurde viel gemauert und unter den Teppich gekehrt. ‚Bei uns in Flensburg war das ja nicht so schlimm‘, bekam ich immer wieder zu hören. Eine Geschichte der jüdischen Verfolgung habe es in Flensburg nicht gegeben. Aber das stimmt hinten und vorne nicht“, sagt der Journalist entschieden.
Wohin Bernd Philipsen auch kam: An diesem Thema wurde bisher nicht gearbeitet, auch nicht von Historikern: „Mich hat es gereizt, das Thema anzustoßen, Neuland zu betreten. So kam eins zum anderen.“ 1984 arbeitete er an einer Sonderausgabe zum Stadtjubiläum mit. „Auf meiner Sonderseite zur Geschichte der Juden in Flensburg erhielt ich drei Reaktionen“, erinnert sich Philipsen. Zum einen rief ihn eine Frau anonym an, die ihn darum bat, doch bitte damit aufzuhören, über die Judenverfolgung zu schreiben. Zum anderen kontaktierte ihn eine Frau, die sagte: „Wären Sie doch zu mir gekommen, ich hätte ihnen so viel erzählt.“ Sie hatte als Jüdin die Nazi-Zeit in Flensburg überlebt. Mit ihr ging Bernd Philipsen in den Austausch, freundete sich mit ihr an. „Außerdem erreichte mich ein langer Brief aus Tel Aviv von einem Israeli, der in Flensburg geboren war. Ich habe ihn in Israel besucht, er hat mir geholfen, weitere Kontakte aufzubauen und mir in dem Land viele Türen geöffnet“, erzählt Bernd Philipsen mit anerkennender Stimme. Mit ihm arbeitete er viele Jahre zusammen, bis dieser 2013 verstarb.
Aufwendige Recherche in verschiedenen Ländern
Für seine Arbeit reiste Bernd Philipsen durch die Welt: „Man hat heute viel mehr Möglichkeiten der Recherche. Ich bin früher sonstwo hingefahren, um Informationen zusammenzutragen.“ Das geflügelte Wort „Wir sind die Letzten, fragt uns aus“ vom deutsch-jüdischen Autor Hans Sahl nahm er sich zu Herzen. Egal wohin er kam, überall stieß er auf offene Ohren und Türen. „Die Leute waren froh, wenn sie ihre Geschichte jemandem erzählen konnten. Ich erlebe es bis heute, dass sie mir Fotos und weitere Materialien senden wollen“, verrät Bernd Philipsen. Aktuell hat er Kontakt zu einer Familie in den USA mit Flensburger Wurzeln. Der Großvater besaß in der Fördestadt ein Schuhgeschäft, das ihm in der Zeit des Nationalsozialismus genommen wurde. Heute wandelt dessen Urenkelin auf den Spuren ihres Urgroßvaters und versucht, mehr über sein Leben zu erfahren.
Und auch Bernd Philipsen ist unermüdlich. Die Etablierung der jüdischen Gemeinde in Flensburg hat er in den letzten 30 Jahren mit viel Eifer begleitet. Und auch seine Aufsätze und Schriften über das jüdische Leben im nördlichen Schleswig-Holstein setzt er fort. Wer die von ihm skizzierten Geschichten lesen möchte, findet sie zum Beispiel in den Büchern „Stolpersteine in Flensburg. Ein Wegbegleiter zu Mahnmalen für NS-Opfer“, „Wir sollten leben“ (mit Fred Zimmak), „Juden in Flensburg“ (mit Bettina Goldberg, gerade in erweiterter Neuauflage erschienen) „Flensburger Köpfe“, „Noch mehr Flensburger Köpfe“, in der Serie „Schleswiger Köpfe“ von den Schleswiger Nachrichten oder in zwei Ausgaben der Buchreihe „Jüdische Miniaturen“ über Jacob Moser aus Kappeln und Leo Kufelnizky aus Schleswig.
Die Verleihung des Fördefuchses findet am Sonntag, 6. November, im Strandhotel von Glücksburg statt. Etwa 100 Gäste werden dabei sein, um Bernd Philipsen zu ehren.
Dr. Fabian Geyer: „Herr Philipsen hat den Fördefuchs absolut verdient“
Er wird jedes Jahr eigens für die Gewinnerin oder den Gewinner in Handarbeit gefertigt – der hölzerne, rot-braune Fördefuchs mit seinem wachen und klugen Blick. Der Flensburger Künstler Johannes Caspersen stellt die Trophäe als Unikat in seiner Bildhauerei-Werkstatt in der Batteriestraße her. Dass sie in diesem Jahr in den vier Wänden von Bernd Philipsen ihr Zuhause finden wird, war die Entscheidung der Fördefuchs-Jury um Maike Rotermund (Geschäftsführerin Orion), Jürgen Vollbehr (Pensionär, Pädagoge), Jochen Missfeldt (Schriftsteller), Achim Englert (Geschäftsführer Phänomenta) und Elisabeth Bode (Leiterin Theaterwerkstatt Pilkentafel).
Der Preis wird seit 2008 vom Arbeitgeberverband Flensburg-Schleswig-Eckernförder verliehen und ist mit 5.000 Euro dotiert. „Dieses Geld behält der Preisträger nicht für sich, sondern er kann sich aussuchen, in welchen gemeinnützigen Bereich es fließen soll“, erklärt Dr. Fabian Geyer, Geschäftsführer des Verbandes. Er freut sich, dass die Wahl auf Bernd Philipsen fiel: „Herr Philipsen hat den Fördefuchs absolut verdient. Er schließt mit seiner Arbeit eine Wissenslücke und vermittelt Fakten, die ganz wichtig sind für die Stadtgeschichte. Das jüdische Leben in Flensburg und der Region ist ein wichtiger Teil von uns. Bernd Philipsen stellt auf eine sehr einfühlsame Art und Weise einzelne Schicksale dar und skizziert, was aus den Menschen wurde, die Verfolgung und den Holocaust erlebten. Er arbeitet detailliert und hochinteressant heraus, was jahrzehntelang nicht bekannt war. Das ist sein Geschenk, sein Lebenswerk für die Region“, lobt Dr. Geyer anerkennend. Nun sei es an uns, in einer Zeit, in der Antisemitismus in Deutschland wieder erstarkt, aus der Geschichte zu lernen, um Hass und Rassismus in der Gegenwart und Zukunft keinen Raum zu bieten. „Auch dafür setzt die regionale Wirtschaft ein deutliches Zeichen“, sagt Dr. Fabian Geyer.

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