Lorenz' Netzwelt : Einweiser und Tonangeber
Die App-Welt ist voll von Selbstoptimierern. Ein StartUp will Nutzer jetzt sogar mit Stromschlägen zur Disziplin zwingen.
Montage sind schlimm. Dienstage auch. Fast jeder Morgen, um ehrlich zu sein. Es mangelt mir an Disziplin – und die Software verlangt heute ja auch nur noch wenig davon. Vor zehn Jahren war das noch anders. Installationen konnten sich über Stunden hinziehen, irgendeine Treiber-Software schien unter Windows immer zu fehlen und wehe ein Auswahlhäkchen wurde falsch gesetzt. In Zeiten von Smartphone und Tablet ist das kaum noch vorstellbar. Software installiert sich heute meist aus App-Stores heraus, Betriebssysteme werden per Knopfdruck repariert. Der Disziplin der Nutzer ist das abträglich. Gottseidank gibt es aber App-Entwickler, die das verstanden haben – und so wimmelt es in der Android- und iPhone-Welt gleichermaßen von Apps fürs Coaching, die Fitness, Terminplanung und Selbstoptimierung. Vieles davon ist unterhaltsam. Doch die Disziplin, die die Programme versprechen, muss letztlich stets schon von vornherein vorhanden sein – sonst ist jede nervige Erinnerung der Anwendungen am Ende vergebens. Ein Ausweg aus diesem Dilemma dürfte Pavlok sein. Ein Armband. Mit Stromstößen diszipliniert es seine Träger, wenn diese mal wieder zu träge sind. Derzeit sammeln die Macher noch Geld für die Produktion ein. In nur zehn Tagen sind schon 120000 Dollar zusammengekommen – benötigt wurde nur die Hälfte. Ich bin mit meinem Disziplin-Problem also nicht allein.
Am stärksten ist, wer sich selbst in der Gewalt hat, soll der römische Philosoph Seneca mal gesagt haben. Das war aber zu einer Zeit, als Nachlässigkeit noch nicht mit Selbstgeißelung und Elektroschocks, sondern Peitschen- oder Stockhieben – so 20 oder 30 Stück an der Zahl – bestraft wurde. Ganz klar, ich wurde mit dem Glück der späten Geburt belohnt. Kein Grund also, sich jetzt von selbst mit digitalen Einweisern und Tonangebern zu quälen.
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