Bis hin zum Verzicht: Claus Hjort Frederiksen sät unerwartete Zweifel an einem Tunnel nach Deutschland. Ein Grund ist die Kostenexplosion des Projekts. Eine Analyse von Frank Jung.
Es wird nochmal unerwartet spannend für die feste Fehmarnbelt-Querung. Kein Geringerer als Dänemarks oberster Kassenwart bringt die Pläne für einen Tunnel zwischen den Inseln Lolland und Fehmarn kräftig ins Wanken: Finanzminister Claus Hjort Frederiksen bereitet seine Landsleute darauf vor, dass das Jahrhundert-Projekt ein weiteres Mal verschoben oder sogar ganz aufgegeben werden könnte.
Der Zeitpunkt könnte brisanter nicht sein. Ohnehin steht im Herbst die Entscheidung der Parlamentsfraktionen an, ob sie endgültig für einen Bau der Querung stimmen wollen. Und seit mehreren Tagen schon hat Hjort Frederiksens Minister-Kollege aus dem Verkehrsressort, Hans Christian Schmidt, zusätzlich für heute ein Krisentreffen mit den Fraktionen anberaumt.
Dabei möchte die rechtsliberale Minderheitsregierung darüber beraten, wie die breite Front der Tunnel-Befürworter in der dänischen Politik mit den Hiobsbotschaften umgehen will, die Schmidt letzte Woche aus Kiel von Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer mitgenommen hat. Dass nämlich die Deutschen kein verlässliches Datum für einen Planfeststellungsbeschluss nennen können. Und dass schon die vage Prognose bis zu einer vor Gericht ausgefochtenen Entscheidung mindestens 2026 lautet.
Und ausgerechnet einen Tag vorher geht der Finanzminister in einem Interview mit der Wirtschaftszeitung „Børsen“ auf eine bisher undenkbare Distanz zu dem historischen Projekt. Ausgerechnet Hjort Frederiksen, der als Hüter des Geldes der mächtigste aller Minister ist. Ausgerechnet Hjort Frederiksen, der in früheren Funktionen einer der Motoren der Öresund-Brücke war, wird oft als Vorbild für den Fehmarnbelt genannt.
Der Ressort-Chef verweist auf eine gründliche Revision der Staatsfinanzen durch die erst im Juni gewählte Regierung. Demnach seien die tatsächlich zu erwartenden Ausgaben für alle möglichen geplanten staatlichen Infrastrukturprojekte deutlich höher als kalkuliert. Insgesamt falle der finanzpolitische Spielraum ab 2016 und in den Folgejahren um jeweils mindestens drei Milliarden Kronen kleiner aus.
„Wir werden harte und schwierige Beschlüsse treffen müssen, einige Projekte zu stoppen – auch solche, die bereits im Gange sind“, schlussfolgert der Minister. Um hinzuzufügen: „Und wir können natürlich keine neuen Infrastrukturprojekte in Gang setzen“. Zumindest erstmal nicht, wie er zu verstehen gibt.
Auch den dänischen Journalisten-Kollegen drängt sich der Eindruck auf, dass dies ein Sprengsatz für die Fehmarnbelt-Pläne sein kann und haken nochmal nach: Ist das Fehmarn-Projekt auch vom Stopp für öffentliche Infrastruktur-Projekte betroffen? Hjort Frederiksen: „Im Prinzip ist alles betroffen, und dann müssen wir uns davon ausgehend eine Meinung bilden.“
Dabei ist der Minister mit einem dezenten Hinweis behilflich: Im Vergleich zu 2014 hätten sich beim Belt-Tunnel steigende Kosten und fehlende Einnahmen um 15 Milliarden Kronen vergrößert. Die Prognosen für Mauterlöse entwickelten sich negativ. Im Frühjahr war bekannt geworden, dass sich die Bau-Kosten wohl um neun Milliarden Kronen verteuern. Und im Frühsommer hatte dann die EU vier Milliarden Kronen weniger Zuschüsse bewilligt als gedacht. Die Mittel aus Brüssel könnten jedoch ganz verloren gehen, wenn man den Baubeginn so weit verschiebt, dass er nicht mehr in der aktuellen EU-Finanzperiode liegt.
Eine positive Lesart für Fehmarnbelt-Befürworter bleibt noch: Vielleicht sind Hjort Frederiksens Orakeleien ein letzter taktischer Versuch, um die Preisvorstellungen der Bau-Konsortien kurz vor Toresschluss massiv zu drücken. Dass dies bis zum Herbst passiert, hat die Politik ohnehin zur Bedingung für einen Bau-Beschluss gemacht. Die Verhandlungen sind eigentlich Aufgabe der Planungsgesellschaft Femern A/S. Aber die kann sicher Hilfe gut gebrauchen. Ob sie reicht, erscheint dennoch fraglich. Die Spielräume für Kostensenkungen erscheinen begrenzt. Den Dänen sind zumal bei öffentlichen Aufträgen solide Arbeitsbedingungen heilig. Mit Billig-Jobs wird am Belt nichts zu machen sein.
Pikant für den weiteren Prozess in Kopenhagen ist auch: Angesichts der engeren Finanz-Spielräume müssen die Politiker den Belttunnel eher mit innerdänischen und damit mehr Wählerstimmen versprechenden Verkehrsvorhaben abwägen. Bisher stand beides nicht in Konkurrenz. Und für Schleswig-Holstein ist klar: Obwohl es nur am Katzentisch sitzt, werden sich die Belt-Kritiker hierzulande wortreich zurückmelden.