Eine Reihe von Unternehmen hat SH schon den Rücken gen Osten gekehrt. Meist aus denselben Gründen: Geld und Platz.
Es ist ein Kampf um Geld, Köpfe, Steuern und das eigene Image: Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern führen ihn seit Jahrzehnten – und oft unterlag das nördlichste Bundesland. Das neueste Kapitel in diesem Wettstreit: die Schwartauer Werke. Das Unternehmen will wachsen und benötigt Platz. 15 Hektar um genau zu sein – und die sind schwer aufzutreiben. So buhlt nun nicht nur die namensgebende Heimatgemeinde Bad Schwartau um die Gunst ihres weltberühmten Marmeladen-Herstellers, sondern auch eine Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern. Dass dies im Land zu Diskussionen führt, ist wenig verwunderlich.
Immer wieder zieht es Unternehmen von Schleswig-Holstein über die Landesgrenze nach Mecklenburg-Vorpommern. Politiker und Wirtschaftsvertreter kritisieren die Förderpolitik der ostdeutschen Nachbarn. |
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„Es gibt ein Problem – tatsächlich“, sagt Can Özren, Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Lübeck, zu deren Bezirk auch Bad Schwartau zählt. Denn Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein haben bei der Ansiedlung von Unternehmen nicht nur naturgegeben unterschiedliche Voraussetzungen. „Es gibt noch immer eine Förderkulisse, die dazu beiträgt, dass das eine oder andere Unternehmen umsiedelt“, erklärt Özren.
Das Problem treibt auch Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) seit längerer Zeit um. „Es wird von dort aus wieder sehr intensiv um Unternehmen in Lübeck, in Stormarn und im Lauenburgischen geworben“, sagt er. Schon in der Vergangenheit zeigte er sich wiederholt verärgert über die Kollegen aus Mecklenburg-Vorpommern – Meyer selbst war bis 2012 noch Chef der Staatskanzlei in Schwerin.
Nach seinen Umzugsplänen befragt, erwähnt das Unternehmen Mecklenburg-Vorpommern mit keinem Wort. „Momentan befinden wir uns noch in einer frühen Phase der Bauplatzsuche für ein neues Werk in Bad Schwartau oder in der umliegenden Region“, heißt es auf Anfrage lediglich. Allerdings trennen gerade einmal 14 Kilometer Bad Schwartau von der Landesgrenze.
Der Planungshorizont für einen Umzug liegt laut Unternehmen bei drei bis fünf Jahren. Sollte es am Ende dennoch auf Mecklenburg-Vorpommern hinauslaufen, reihten sich die Schwartauer Werke doch in eine lange Liste prominenter Namen. Schon in den 90er Jahren siedelte Hansa-Milch um, später die Drägertochter Tesocm. 2005 legte Edeka Nord den Grundstein für ein Fleischwerk im Gewerbegebiet Gallin – kurz hinter der Landesgrenze.
2006 ging das Werk in Betrieb, die Standorte Pinneberg und Neumünster wurden im Zuge dessen geschlossen. Im selben Jahr zog es auch die Großbäckerei Kamps mit ihrem Oldesloer Werk in den Osten. 250 Arbeitsplätze wurden damals mit umgesiedelt. 2014 verlagerte dann der Kartonhersteller Schur Pack sein Werk aus Büchen zu den Nachbarn nach Mecklenburg-Vorpommern und 2017 wird die „De-Laval Services GmbH“ ihr Lager von Glinde (Kreis Stormarn) an die A24 verlagern. Allein in den letzten beiden Fällen geht es zusammengenommen um weit mehr als 300 Arbeitsplätze – und obendrein um millionenschwere Investitionen, die Schleswig-Holsteins Wirtschaft entgehen.
Die Gründe waren dabei in allen Fällen stets ähnlich – ging es nicht um das Geld, mit dem Wirtschaftsförderer im Osten die Unternehmen lockten, so war es dann doch der reichlich vorhandene Platz. Denn auch hier weiß Mecklenburg-Vorpommern die Vorteile auf seiner Seite. „Den großen Städten gehen die Flächen aus“, so Özren bei der IHK zu Lübeck. Die Kammer motiviert daher Kommunen, bei der Bereitstellung von Gewerbeflächen zu kooperieren. Das Projekt Nordgate – dem Neumünster, Bad Bramstedt, Kaltenkirchen, Henstedt-Ulzburg, Quickborn und Norderstedt angehören – gilt hier als Vorbild.
Dabei sieht die Kammer einen Wegzug von Betrieben nach Mecklenburg-Vorpommern durchaus mit gemischten Gefülen. Schließlich sei es gut, wenn Unternehmen wenigstens im Hansebelt blieben, sagt Özren. Gemeint ist: So manches Unternehmen könnte auch seine sieben Sachen packen und die Region ganz verlassen.
Seit dem Bekanntwerden der Überlegungen der Schwartauer Werke gibt es verstärkt Versuche der Gemeinde das Unternehmen zu halten. Verschiedene Optionen liegen auf dem Tisch. „Selbstverständlich ist auch die geringe Distanz zu unseren Bauern und Lieferanten aus Schleswig-Holstein ein großer Vorteil“, heißt es bei dem Unternehmen. Entschieden ist nichts. Die Stadt Bad Schwartau sei stets erster Ansprechpartner, das gelte auch bei der „momentanen Suche eines neuen Bauplatzes“.
Eines steht bereits fest: Der Unternehmenssitz bliebe in jedem Falle in Bad Schwartau, ganz gleich wo das neue Werk entsteht. Daran lässt der Marmeladen-Hersteller derzeit keinen Zweifel. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Schwartauer Werke sagt: „Es gibt derzeit keine Pläne, den Unternehmenssitz der Schwartauer Werke aus Bad Schwartau zu verlegen.“