Heidi Klum äußert sich in der ersten Folge der neuen GNTM-Staffel zu Vorwürfen: Ist in der Show alles inszeniert? Modelagentin Claudia Midolo erklärt, wann eine Teilnahme Sinn macht - oder ob GNTM die Modelkarriere zerstört.
Die 18. Staffel von Germany‘s Next Topmodel hat begonnen: Heidi Klum setzt wieder auf „Diversity“ und sucht Frauen in allen Altersklassen, mit verschiedenen Körpergrößen- und Formen. Die Folge startete mit einem Statement von Heidi Klum: Sie äußert sich zu den Vorwürfen, die im vergangenen Jahr gehäuft aufgekommen sind. Unter anderem behauptete Ex-Teilnehmerin Liljana Kaggwa in einem ausführlichen „Enthüllungsvideo“, dass bei GNTM alles inszeniert sei und man als Kandidatin falsch dargestellt werde. Stimmt das?
Modelagentin Claudia Midolo hatte bereits Ex-Kandidatinnen unter Vertrag. Sie weiß, wie Teilnehmerinnen wirklich sind und wie sich die Show in den Jahren verändert hat. Die 50-Jährige hat 1995 die Modelagentur „Modelwerk“ in Hamburg gegründet, einer der führenden Talententdeckungs- und Managementagentur in Deutschland. Bekannt geworden ist sie durch die Karrieren von Antonia Wesseloh, Esther Heesch oder Toni Garrn.
Im Interview verrät Midolo, wann die Teilnahme an der Show aus Sicht eines Models Sinn macht und wann nicht.

Frau Midolo, was machen Sie am Donnerstagabend um 20.15 Uhr?
Da werde ich natürlich Germany’s Next Topmodel gucken. Meine beiden Mädels, elf und dreizehn Jahre alt, lieben GNTM. Bei uns ist das schon fast Kult: Wir bestellen Pizza und machen einen Fernsehabend. Bei der letzten Staffel durfte nichts verpasst werden.
Haben Ihre Töchter vor, Topmodel zu werden oder in der Show mitzumachen?
In der Schule wird zu den beiden gesagt: Du hast ja eine Mama, die Heidi ist. Das ist natürlich Spaß. Sie wollen nicht unbedingt bei GNTM mitmachen, aber sie interessiert natürlich alles, was in der Branche passiert. Schließlich sind sie mit mir oft bei Veranstaltungen dabei und kennen die Leute, zumindest teilweise, aus dem echten Leben. Es ist nicht abwegig, dass sie irgendwann in der Modellbranche landen. Auf welcher Seite auch immer.
Was aus der Sicht Ihrer Kinder schlauer: Sollten die beiden sich bei Ihrer Mama, einer Modelagentur bewerben - oder bei Germany’s Next Topmodel?
Ich glaube, aus deren Sicht eher bei mir. Letztendlich umgeht eine Castingshow den Aufnahmeprozess in einer Modelagentur. Die Show zeigt uns eigentlich nur die ganze Entstehungsgeschichte, wie ich von einem Mädchen vom Dorf zu einem Model werde. Letztendlich geht das echte Modelleben erst danach los, das zeigt uns GNTM dann aber nicht mehr. Das könnten die beiden somit überspringen.
Das Mädchen aus dem Dorf wird Model - ist das noch so? Mein Eindruck ist, dass sich bei GNTM mittlerweile viele Kandidatinnen dabei sind, die bereits berufliche Erfahrungen haben.
Ich glaube, das hat sich alles ein bisschen verändert. Dank Social Media hat auch ein Mädchen, das auf dem Dorf aufwächst, heute eine Chance, sich zu beweisen und auf sich aufmerksam zu machen - oder sich bei Modelagenturen zu bewerben. Das ist durch Zoom-Calls, eine Online-Bewerbung oder E-Mails einfacher als früher. Als ich Model geworden bin, war das noch nicht möglich. Da musste man auf der Straße angesprochen werden, das war mit sehr viel Zufall verbunden. Vor allem dann, wenn man noch sehr jung war und viel zu weit weg von einer großen Stadt wohnte, wo eben gute Modelagenturen sitzen.
Wenn eine junge Frau heute ein klassisches Model werden möchte, geht über verschiedenste Wege. Germany’s Next Topmodel hat sich aber zu einer Plattform entwickelt, die den Sprung in eine Model-Influencer-Karriere erleichtert. Instagram wird für Models heutzutage immer wichtiger.
Das sind die Kandidatinnen von GNTM 2023:
Model-Influencer und klassische Models - was ist der Unterschied?
Wir unterscheiden im klassischen Sinn folgende Kategorien an Models: Zum einen gibt es die absoluten High-Fashion-Models, die wir dann in New York, Paris, Mailand auf den Laufstegen von Chanel, Gucci und Co. sehen. Für die ist Instagram auch wichtig. Instagram ist eine Selbstdarstellungsplattform, auf der sich die Models (manchmal anstatt eines Castings) im Grunde genommen verkaufen und zeigen, was sie ausmacht. Es werden eher Fotos, Arbeitsbeispiele, gepostet und Eindrucke hinter den Kulissen geteilt.
Das zweite sind die klassischen Moneymakers, so nennen wir sie. Das sind kommerzielleren Models, die in einem gesetzten Gagen-Segment arbeiten und primär von den Kunden wie Nivea, H&M, C&A, Karstadt, Schwarzkopf und Co. gebucht werden. Jobs, die ein High-Fashion-Model nicht unbedingt machen würde, wobei man damit sehr gut verdient. Diese Brands werden heutzutage oft mit Social-Media-Postings begleitet. Die wollen demnach Models haben, die reichweitenstark sind - damit sie ihre Produkte bewerben können.
Das heißt, für diese Models ist GNTM eine gute Option?
Richtig, für diese Models ist die Teilnahme eine Möglichkeit, bekannter zu werden und höheren Gagen zu verlangen. Das sehen die Kunden übrigens gar nicht negativ. Wenn ein Model, dass durch GNTM beliebt wurde, für Maybelline arbeitet - dann ist das natürlich toll. Die Kunden kaufen die Wimperntusche von ihr natürlich eher als von jemanden, der unbekannt ist.
Viele Mädchen sehen GNTM mittlerweile als Möglichkeit, um sich weiterzuentwickeln. Wir hatten zum Beispiel die Miriam, das erste Petite-Model der Show. Sie hat 2021 mit uns das Gespräch gesucht und dann an der Show teilgenommen, um einen höheren Bekanntheitsgrad zu erlangen.
Das heißt, Sie beraten Frauen, ob eine Teilnahme bei Germany’s Next Topmodel für sie Sinn mach?
Genau. Weil GNTM nur Deutschland betrifft, kann ein Mädchen nach der Show immer noch international durchstarten. Die Karriere ist danach nicht zerstört.
Sie haben Miriam genannt. Welches Model aus den vergangenen Germany’s Next Topmodel-Staffeln hatten Sie sonst noch unter Vertrag?
Da möchte ich lieber keine Namen nennen. In den ersten Staffeln haben zehn bis zwanzig Models von uns mitgemacht, die bei uns aus der Agentur rausgeflogen sind, weil sie einen schwierigen Charakter hatten. Ein Mädchen weinte die ganze Zeit. Da kann man sich vielleicht denken, wer das war. Wir sind eine Profimodelagentur und schreiben uns auf die Fahnen, dass das Model, das wir an das Set schicken, pünktlich, zuverlässig und toll gestylt ist, dass sie sich gut benimmt, sich gut bewegen kann. Wenn Models negativ auffallen, dann ist das für unseren Ruf nicht gut und entspricht nicht dem, was wir mit der Marke Modelwerk unseren Kunden versprechen. Von solchen Mädchen trennen wir uns dann gerne wieder. Aber: Das waren in den meisten Staffeln die amüsantesten Models, weil man in so einem Castingformat gerne Drama möchte. Das versucht man in der Realität im Arbeitsprozess natürlich eher zu vermeiden.
Diese Kandidatinnen sind laut eigener Angabe von GNTM die „Tränen-Queens“:
Ich glaube, ich weiß, welches Model sie meinen. Da habe ich aber gedacht: Das ist alles nur inszeniert, die kann nicht so schlimm sein.
Das war nicht inszeniert. Wir arbeiten mit sehr vielen Mädchen zusammen. Da gibt es schon sehr spannende Charaktere. Man denkt vielleicht, dass man in unserer Branche verrückt sein darf. Verrückt in der Optik ja, aber nicht verrückt im Benehmen. Wenn jemand verschlafen hat, oder zu spät kommt, dann lässt sich das kein Kunde gefallen. Das war vielleicht in den 90ern so. Aber die Zeit ist lange vorbei.
Bewerben sich bei Ihnen jetzt weniger GNTM-Kandidatinnen?
Von uns gehen immer weniger dahin. Da war die Miriam eine Ausnahme, das hat sie sehr bedacht entschieden. Das tat ihr Karriere auch sehr gut. Ich vermute, so wie ich mir die Staffel jetzt angucke, dass sich das Format ein bisschen ändert.
Inwiefern hat sich GNTM verändert?
Mir gefällt sehr gut, wie Germany’s Next Topmodel derzeit aufgebaut ist. Das wirkt alles sehr professionell. Ich finde, es ist auch nicht mehr so verrückt wie früher. Streit ist normal, das gibt es überall. Das zeigen die in der Sendung natürlich gerne, um die Zuschauer zu unterhaltsam. Sie zeigen aber auch, dass nur die Mädchen weiterkommen, die sich professionell benehmen. Das war früher anders. Da hatte man das Gefühl, die werden mit Absicht bis zum Ende in der Show gelassen, weil sie Zuschauerquoten bringen. Das hat sich aus meiner Sicht verbessert und ist deutlich näher an der Realität. Ich gucke die Sendung gerne. GNTM gibt ein gutes Bild, oberflächlich natürlich, von der Branche wieder. Die ersten Staffeln nicht, aber die letzte fand ich schon sehr gut. Ich bin gespannt, was dieses Mal kommt, weil wenn ich mir die Kandidatinnen angucke, sieht es nach einem neuen Konzept aus.