In Syrien droht die Lage zu eskalieren. Wenige Tage nach einem mutmaßlichen Giftgasangriff lässt US-Präsident Trump Raketen auf einen Flughafen der syrischen Armee abschießen. Es gab mehrere Tote.
Als Vergeltung für einen mutmaßlichen Giftgasangriff haben die USA einen Luftwaffenstützpunkt in Syrien attackiert. Nach Angaben des Pentagons wurden 59 Raketen des Typs Tomahawk abgeschossen. US-Präsident Donald Trump sagte am späten Donnerstagabend (Ortszeit), er habe den Luftschlag angeordnet. Er sprach von einem Akt der Verteidigung nationaler Sicherheitsinteressen. Mit dem Giftgasangriff vor wenigen Tagen, bei dem zahlreiche Menschen getötet wurden, habe Syrien seine internationalen Verpflichtungen und UN-Resolutionen verletzt.
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Mit dem direkten Angriff gegen Assads Armee könnte der Krieg in Syrien noch weiter eskalieren. Zudem provozieren die USA jetzt offen Syriens Schutzmächte Iran und Russland.
Von dem nun ins Visier genommenen Flugplatz sei vor wenigen Tagen ein Angriff mit Giftgas auf die von Rebellen kontrollierte Stadt Chan Scheichun ausgegangen, sagte Trump am Rande eines Treffens mit Chinas Staatschef Xi Jinping in Florida. Diese Attacke sei ein „barbarischer Akt“ gewesen. „Ich rufe heute alle zivilisierten Nationen auf, sich uns anzuschließen“, sagte Trump. Das Blutvergießen in Syrien müsse beendet werden.

Bei dem mutmaßlichen Giftgasangriff kamen Aktivisten zufolge mehr als 80 Menschen ums Leben. Der syrische Staatschef Baschar al-Assad hatte die Verantwortung für den Angriff zurückgewiesen. Trump hatte Assad bereits am Mittwoch gedroht und auch schon militärische Schritte angedeutet. Ein Pentagon-Sprecher bekräftigte, die USA würden den Einsatz chemischer Waffen nicht tolerieren. Die Raketen wurden von Kriegsschiffen im Mittelmeer abgefeuert.
Putin: Aggression gegen das Völkerrecht

Der russische Präsident Wladimir Putin hat das US-Bombardement als Angriff auf die Souveränität Syriens verurteilt. „Präsident Putin hält die amerikanischen Angriffe für eine Aggression gegen einen souveränen Staat, gegen das Völkerrecht, dazu noch mit einem erdachten Vorwand“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag in Moskau. Die syrische Armee habe keine Chemiewaffen mehr, das habe nach der Entwaffnung auch die zuständige UN-Organisation bestätigt.
Aktivisten zufolge sind vier Armeeangehörige getötet worden. Unter ihnen sei ein General, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Freitag. Sie meldete zudem Dutzende Verletzte. Nach offiziellen Angaben aus Damaskus seien mindestens fünf Menschen ums Leben gekommen. Bei den Toten handele es sich um drei Armeeangehörige und zwei Zivilisten, sagte der Gouverneur der Provinz Homs, Talal Barasi, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Die Feuerwehr und Rettungshelfer seien im Einsatz, um den Brand unter Kontrolle zu bringen und die Opfer zu bergen. Aus syrischen Militärkreisen hieß es, zwei Start- und Landebahnen seien zerstört worden. Auch Treibstofflager seien getroffen worden. Der angegriffene Flugplatz liege in der Nähe es Ortes Al-Schairat, erklärte Barasi weiter.
Barasi warf den USA vor, mit der Bombardierung unterstützten sie Extremisten wie die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). „Dieser Angriff hilft ohne Zweifel den terroristischen Gruppen wie Daesh und schwächt die syrischen Kräfte in ihrem Kampf gegen diese“, sagte er. Daesh ist die arabische Abkürzung für den IS. Syriens Regierungskräfte bekämpfen östlich des Flugplatzes IS-Anhänger. Die syrische Opposition lobte den US-Angriff auf den Flugplatz als „sehr wichtige Reaktion“.
US-Präsident Trump und Außenminister Rex Tillerson hatten nur Stunden zuvor den Druck auf die Regierung Assads erhöht. Trump sagte mit Blick auf Assad: „Ich denke, er ist der, der die Dinge verantwortet. Und ich denke, es sollte etwas passieren.“ Die USA wollten eine internationale Koalition schmieden, um Assad abzulösen, sagte Tillerson.
Einzelschlag ohne Folge-Strategie
Mit der Militäroperation in Syrien geht Trump aber auch ein hohes Risiko ein. Dass er den Kongress nicht vorab informiert und damit nach Meinung einiger Experten und Demokraten einen Verfassungsbruch begangen haben könnte, ist das eine. Problematischer aber erscheint: Der Militärschlag, ausgeführt mit 59 Tomahawk-Raketen aus sicherer Entfernung im östlichen Mittelmeer, erfordert eine Folge-Strategie für die komplizierte Lage in Syrien, soll sie nicht als Einmal-Aktion verklingen.
Eine solche Strategie hat Trump noch immer nicht. Sein Aufruf an die zivilisierte Welt, sich den USA anzuschließen, klingt wie ein Hilferuf. Die Entsendung von Kampftruppen am Boden, etwa zur Durchsetzung von Sicherheitszonen, gilt in den USA als politisch kaum durchsetzbar. Seit Jahren warnen Diplomaten aus aller Welt: Die Syrien-Krise ist mit militärischen Mitteln nicht zu lösen. Zu komplex ist die Gemengelage, zu viele Nationen sind beteiligt, zu viele Interessen berührt.
Die potenzielle Tragweite der US-Aktion hingegen ist noch völlig unermesslich: Die USA riskieren mit der Aktion gegen Syrien nicht nur, ihre Handlungsspielräume für andere Krisen einzuengen. Sie nehmen auch die offene Konfrontation mit Russland in Kauf.
Diplomaten ohne Lösung
Doch auch auf der diplomatischen Ebene ist die Lage völlig unklar. Der UN-Sicherheitsrat hatte sich bei einer Sondersitzung in New York erneut nicht auf eine neue Syrien-Resolution verständigen können. Russland warnte die USA vor „negativen Konsequenzen“ bei einem militärischen Eingreifen. „Alle Verantwortung bei einer militärischen Aktion liegt auf den Schultern von denen, die diese fragwürdige und tragische Unternehmung beginnen“, sagte der stellvertretende russische UN-Botschafter Wladimir Safronkow vor Journalisten im UN-Hauptquartier in New York.
Die US-Regierung hatte bereits eine Kehrtwende in der Syrien-Politik vollzogen. Tillerson hatte vor einer Woche bei einem Besuch in der Türkei gesagt, das Schicksal Assads werde vom syrischen Volk entschieden. Das war eine Abkehr von der Linie der Vorgängerregierung, die dem Machthaber in Damaskus die Hauptverantwortung für den blutigen Konflikt in dem Bürgerkriegsland zuschob und auf seinen Sturz hinarbeitete.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte scharf auf den mutmaßlichen Giftgasangriff reagiert. Es spreche leider manches dafür, dass der Angriff von Assads Regierung ausgegangen sei, „auch dann die anschließende Bombardierung des Krankenhauses, wo die Opfer versorgt wurden“.