Die Zahl der Straftaten ist angestiegen - die Aufklärungsquote auch.
Die Zahl der Straftaten in Schleswig-Holstein ist 2016 gegenüber dem Vorjahr leicht gestiegen. Im Vergleich zu 2015 gab es in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS), die Innenminister Stefan Studt am Donnerstag in Kiel vorstellte, einen Anstieg der registrierten Kriminalität um 1,9 Prozent auf insgesamt 206.541 Straftaten.
Innenminister Stefan Studt (SPD) hob bei der Vorstellung der Statistik hervor, dass die Aufklärungsquote (ohne Asylvergehen) mit 50,5 Prozent (2015: 48,8 Prozent) „einen historischen Höchststand“ erreicht habe: „Schleswig-Holstein ist und bleibt ein sicheres Land.“ Die Opposition von CDU und FDP hielt Studt dagegen Versagen und Versäumnisse vor: „Wer sich angesichts der nochmals angestiegenen Kriminalitätsbelastung für eine Aufklärungsquote von 50 Prozent feiern lassen will, hat seinen Job nicht richtig verstanden“, sagte FDP-Landtagsfraktionschef Wolfgang Kubicki.
Die Grünen-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl am 7. Mai, Finanzministerin Monika Heinold, warf der Opposition vor, „eine gefühlsorientierte Verunsicherungspolitik zu betreiben“. Die Koalition von SPD, Grünen und SSW mache eine solide Sicherheitspolitik. Die Kriminalstatistik sei ein Beleg dafür.
Bei einer Betrachtung der Straftaten ohne die Delikte von Straftaten gegen das Aufenthalts-, Asyl- und Freizügigkeitsgesetz/EU ist die registrierte Kriminalität 2016 nahezu auf dem Vorjahresniveau (+0,3 Prozent /190.004 Fälle) geblieben. Das heißt, der leichte Zuwachs der registrierten Gesamtkriminalität resultiert größtenteils aus dieser Deliktsgruppe.
Eine positive Entwicklung gab es beim Wohnungseinbruchdiebstahl: 2016 war ein Rückgang um 8,8 Prozent auf 7711 Fälle zu verzeichnen. Gleichzeitig ist die Aufklärungsquote von 8,9 Prozent auf 11,2 Prozent gestiegen.
Tatsächlich dürfte der Rückgang aber deutlich höher sein, da 2500 Fälle aus 2015 in die KPS noch mit einflossen, wie Jörg Muhlack, Leiter Polizeiabteilung im Innenministerium, erklärte. Nach der sogenannten Eingangsstatistik - also der aufgenommenen Fälle - sei die Wohnungskriminalität 2016 um mehr als 20 Prozent gesunken. In die KPS fließen dagegen nur die Fälle ein, bei denen die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen sind.
Die Aufklärungsquote bei Wohnungseinbrüchen stieg demnach von 8,8 auf 11,2 Prozent. Die CDU kritisierte, die Quote liege noch deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. „Wenn der Innenminister das lange bekannte Problem nicht immer wieder verharmlost hätte, könnten wir schon viel weiter sein“, sagte der polizeipolitische CDU-Fraktionssprecher Axel Bernstein. Kubicki kritisierte, fast 90 Prozent aller Wohnungseinbrüche blieben unaufgeklärt.
Dagegen zeigte sich Studt „sehr froh“, „dass die Einsatzkonzepte der Polizei Früchte tragen“. Er kündigte an, die länderübergreifende polizeiliche Kooperation mit den Nachbarländern weiter auszubauen. Im Hamburger Speckgürtel war die Einbruchskriminalität in den vergangenen Jahren besonders hoch. Der Leitende Kriminaldirektor Peter Fritzsche betonte, die Erfolge bei der Bekämpfung der Wohnungseinbruchskriminalität seien kein Zufall, sondern Resultat der besonderen Anstrengungen der Polizei. Die Zusammenarbeit etwa mit der Hamburger Sonderkommission „Castle“ funktioniere in der Praxis.
Der verstärkte Schutz der eigenen Wohnung hat laut Studt eine große Bedeutung. So habe der Anteil der versuchten, aber nicht erfolgreichen Einbruchsversuche mit 45,4 Prozent (2015: 41,2) ebenfalls „einen historischen Höchststand“ erreicht.
Ein Anstieg von 9,6 Prozent ist hingegen bei der Gewaltkriminalität zu verzeichnen, der fast ausschließlich aus der Zunahme der Fallzahlen im Bereich der gefährlichen und schweren Körperverletzung hervorgeht. Hier wurden im vergangenen Jahr 4.402 Taten registriert (+13,1 Prozent). Bei den Rohheitsdelikten kam es zu einem Anstieg um 9,3 Prozent, bei den Sexualdelikten um 8,7 Prozent.
Zudem waren im vergangenen Jahr 2443 Polizeibeamte in Schleswig-Holstein von Widerstand und Körperverletzung betroffen, 441 von ihnen wurden verletzt. „Die Sicherheit der Beamtinnen und Beamten liegt mir sehr am Herzen. Im vergangenen Jahr haben wir deshalb in eine verbesserte Schutzausstattung und eine intensivierte Fortbildung investiert“, sagte Studt. Er betonte, er unterstütze ausdrücklich den jüngsten Vorstoß von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) für härtere Strafen bei Gewalt gegen Polizei- und Rettungskräfte.
In Folge der verstärkten Zuwanderung von Flüchtlingen, die sich auch in 2016 noch fortgesetzt hat, wurden in Schleswig-Holstein allein 16.537 Straftaten gegen das Aufenthalts-, Asyl- und Freizügigkeitsgesetz/EU erfasst. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 13.165 Straftaten. Dieses bedeutet eine Steigerung von 25,6 Prozent in diesem Bereich.
Der Anteil von Ausländern unter den 67.707 Tatverdächtigen (ohne Verstöße gegen Aufenthalts- und Asylgesetze) betrug laut KPS 22 Prozent, der von Zuwanderern 9,3 Prozent. Die Kriminalität von Flüchtlingen lasse sich aber aus der Statistik nur „annäherungsweise“ herauslesen, erläuterten Polizeivertreter. Denn unter den Sammelbegriff „Zuwanderer“ fallen all jene, die etwa möglicherweise schon vor vielen Jahren Asyl beantragt haben, abgelehnt wurden oder geduldet werden.
Die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen in der Altersgruppe unter 21 Jahren ist um 952 auf 19.232 leicht angestiegen. Ihr prozentualer Anteil an den Tatverdächtigen insgesamt ist jedoch auf 23 Prozent (2015: 23,3 Prozent) gesunken.
4.623 der insgesamt 19.232 Tatverdächtigen unter 21 Jahren wurden dabei ausschließlich wegen einer Straftat gegen das Aufenthalts-, das Asylverfahrens- und das Freizügigkeitsgesetz/EU erfasst. Gemessen an den Jahren 2006 (29,4 Prozent) bis 2012 (24,7 Prozent) ist die Entwicklung im Bereich der Jugendkriminalität positiv. Ein möglicher Erklärungsansatz dafür ist die erfolgreiche Umsetzung der Konzepte zur Bekämpfung der Jugendkriminalität und insbesondere der Kriminalität jugendlicher Intensivtäter.
Die ausführlichen Zahlen sind auf der Homepage der Landespolizei Schleswig-Holstein nachzulesen.