Gerissene Nutztiere in SH Wildernde Hunde sind gefährlicher als Wölfe

Von Eckhard Gehm | 29.01.2017, 12:56 Uhr

Seit der ersten Sichtung macht die Angst vor dem bösen Wolf die Runde. Dabei ist der Hund in Schleswig-Holstein ein viel größeres Problem.

Wildernde Hunde reißen in Schleswig-Holstein mehr Schafe, als der Wolf. Das belegen Zahlen des Kieler Umweltministeriums. Die Behörde hat im vergangenen Jahr 47 Vorfälle untersucht, bei denen 64 Nutztiere starben. 21 davon wurden zweifelsfrei von Hunden getötet, nur vier von Wölfen. Bei den übrigen Fällen war die Todesursache nicht mehr ermittelbar. Und in den fünf Jahren von 2010 bis 2014 registrierte das Ministerium 70 von Hunden gerissene Tiere, aber nur fünf von Wölfen. Jens Uwe Matzen, Koordinator der Wolfsbetreuung in Schleswig-Holstein, sagt: „In der Masse werden Nutztiere durch Hunde gerissen. Wir verzeichnen eine Zunahme der Fälle.“

Auslauf in freier Natur – viele Hundebesitzer gewähren ihren Liebster gerne diese Freiheit und lassen sie von der Leine. Wenn dann der Jäger im Hund erwacht, trifft es auch regelmäßig Wildtiere. In Bosau (Kreis Ostholstein) schnappten sich vor wenigen Tagen ein Golden Retriever und ein Border Collie ein Reh, bissen ihm in Läufe und Hals. Es musste von einem Jäger erschossen werden. In Tornesch (Kreis Pinneberg) schreckte ein Hund Rehe auf, die flüchteten. Eines brach sich beim Sprung über einen Zaun das Genick. Die Polizei bestätigt außerdem einen Vorfall mit vier Hunden, die in der Palinger Heide bei Lübeck ein Wildschwein jagten. Die Halterin von zweien der Tiere konnte ausgemacht werden – ihr weißer Schäferhund war blutverschmiert.

Andreas Schober, Geschäftsführer des Landesjagdverbandes: „Im Wald gilt nicht ohne Grund die Leinenpflicht, weil in jedem Hund das Erbe des Wolfes steckt. Wenn Wild flüchtet, aktiviert das den Jagdtrieb.“ Zahlen über gerissenes Wild erhebt die Jägerschaft nicht, Schober betont aber: „Wildernde Hunde sind ein Problem. Jeder Hundehalter muss sich der Gefahr bewusst sein, wenn er sein Tier frei laufen lässt.“

 

Für den Wolfskoordinator liegt das Problem grundsätzlich am anderen Ende der gelösten Leine. Matzen sagt: „Den Haltern fehlt die Einsicht, den Hunden außerdem oft die richtige Erziehung. Spricht man die Halter darauf an, reagieren die meisten aggressiv und erklären, ihr Hund gehorche und würde sowieso niemals ein Wildtier jagen. Die Fronten sind da einfach verhärtet.“ 

Der Leinenzwang gilt in Schleswig-Holstein nicht nur in Wäldern und Naturschutzgebieten, sondern auch an den Deichen, auf denen 50.000 Schafe die Grasnarbe kurz halten und den Boden verdichten, was die Festigkeit erhöht. Nicht angeleinte Hunde hetzen hier besonders während der Urlaubssaison immer wieder Schafe, die dann in Gräben und Prielen steckenbleiben und bei auflaufender Flut ertrinken. Auch direkte Angriffe sind belegt. „Immer wieder kommen Schafe auf diese Weise ums Leben“, sagt Janine Bruser, Geschäftsführerin des Landesverbandes Schleswig-Holsteinischer Schaf- und Ziegenzüchter. Vor zwei Jahren sind 100 Hinweisschilder aufgestellt worden, um an die Einsicht der Hundehalter zu appellieren. Über den Erfolg der Maßnahme gibt es keine Erhebung.

Zumindest im Wald kann der Hund aber schnell vom Jäger zum Gejagten werden. In Schleswig-Holstein dürfen Jagdausübungsberechtigte Hunde erschießen, wenn sie „deutlich sichtbar Wild verfolgen und sich außerhalb des Einwirkungsbereichs des Halters befinden“. Auf Katzen darf in Jagdbezirken angelegt werden, wenn sie sich weiter als 200 Meter vom nächsten Haus entfernt haben. Im Jagdjahr 2015/2016 sind zwei Hunde und 4098 Katzen erschossen worden.

TEASER-FOTO: Redaktion