Bundestagswahl Vier Politiker – vier Fragen

Von Hannah Bockholt, Clara Frischkemuth | 15.09.2021, 19:01 Uhr

Jung gegen alt, Erfahrung gegen Moderne – wer bekommt das Direktmandat im Wahlkreis 1 Schleswig-Flensburg? Die vier Spitzenkandidaten, die die jungen Reporterinnen des sh:z vor der Bundestagswahl 2021 getroffen haben, könnten unterschiedlicher nicht sein.

Petra Nicolaisen von der CDU sitzt seit vier Jahren im Bundestag und hat dort erste Erfahrungen gesammelt. Sie vertritt die konservativen Sichtweisen ihrer Partei und setzt auf Verlässlichkeit.

Franziska Brzezicha dagegen, erst 28 Jahre alt, nimmt das erste Mal an einer Wahl teil. Sie findet, dass es nicht nur auf Erfahrung ankommt: „Nur weil man Erfahrung hat, heißt es nicht, dass man ein guter Politiker ist”. Sie will frischen Wind mitbringen und möchte ihrer Partei, der SPD, eine neue Perspektive aufzeigen.

Mit dem Schwerpunkt auf Minderheitenpolitik startet Stefan Seidler in den Wahlkampf. Er möchte für die SSW in den Bundestag und wäre damit der Erste, der nach 60 Jahren diese Partei dort vertritt. Er will „skandinavische und dänische Lösungsmodelle anbieten und Schleswig-Holstein im Bundestag wieder auf die Agenda bringen”. Sein Ziel ist eine „Allianz für den Norden”, die den Finger in die Wunde legt und Norddeutschland voranbringt.

Auch Robert Habeck, Vorsitzender der Grünen, möchte als Direktkandidat in den Bundestag. Mit besonderem Augenmerk auf Klima- und Umweltpolitik will er den Wahlkreis voranbringen. Er möchte die individuelle Freiheit schützen und das geht Hand in Hand mit Umweltschutz: „Im Meer baden, im Wald spazieren oder draußen schlafen, das ist Freiheit.”

Wir haben die Kandidaten zu den Themen befragt, die uns am wichtigsten sind.

Die Antworten der Kandidaten könnt ihr euch auch anhören:

Klimaerwärmung auf 1,5 Grad beschränken – Wie können wir das erreichen?

Bei der Bundestagswahl ist das Klima wichtiger denn je. Das betont Robert Habeck. Mit der bisherigen Umweltpolitik ist er nicht zufrieden. „Diese Regierung hat zu schlecht in der Klimapolitik gearbeitet”, sagt der Politiker. Er setzt sich für einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energie ein. Er will Enddaten, zum Beispiel für Verbrennungsmotoren, für die man etwa Benzin braucht, festsetzen. Die Grünen möchten ein Förderprogramm für den Umbau von Häusern, den Umbau der Industrie und die Umwandlung des Verkehrs auf den Weg bringen. „Wir wollen Wirtschaftswachstum, das das Klima rettet”, so das Ziel von Habeck.

Seidler möchte das 1,5-Grad-Ziel erreichen, indem der Verkehrssektor umgewandelt wird. „Ich glaube, dass es ganz viel Sinn macht, wenn LKWs komplett auf Wasserstoff umsteigen.” Außerdem setzt er auf Elektroautos und den Ausbau des ÖPNV. Auch in der Klimapolitik legt er seinen Schwerpunkt auf unsere Region. Der SSW will regionale Strukturen stärken und so Emissionen einsparen. „Die Produkte, die wir hier produzieren, sollten auch hier im Supermarkt zu kaufen sein”.

Um bis 2045 klimaneutral zu werden, braucht es, laut Brzezicha, „ganz, ganz viel”. Der Energiesektor müsse umstrukturiert werden. Gebäude müssten energieeffizienter werden und der Verkehrssektor muss sich ändern. Auch wenn sie zugibt, dass in den letzten Jahren aufgrund der CDU als Koalitionspartner nicht viel passiert sei, wie die SPD es gern gewollt hätte. Die Schuld des „Versagens” in diesem Bereich sieht sie hauptsächlich bei der CDU. Die junge Politikerin findet es zudem großartig, dass Schüler für Fridays for Future auf die Straße gehen: „Ich empfinde das gar nicht als Schwänzen, sondern als eine Art der Bildung.”

Auch Habeck sieht die Demonstrationen als Übung von politischem Engagement. Stefan Seidler betont, dass die Schüler „den Alten die Augen geöffnet haben.”

Frau Nicolaisen ist anderer Meinung. Von Schuleschwänzen für das Klima hält sie „gar nichts”, sondern plädiert für eine bessere Einbeziehung des Themas Klima und Umwelt in den Schulunterricht. Im Gegensatz zu den anderen Kandidaten weist sie darauf hin, dass das Pariser Klimaschutzabkommen von dem 2-Grad-Ziel ausgeht, verweist aber darauf, dass es das Ziel sein müsse, auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen. Ihre Hoffnung setzt sie dabei unter anderem auf Technologien wie Wasserstoff. „Die Emissionen müssen runter”. Als Maßnahme nennt sie die CO2-Steuer. Ansonsten schlägt sie wenig konkrete Dinge vor.

Ist die Frauenquote das richtige Mittel?

Auch bei dem Thema Frauenquote vertritt die CDU-Politikerin die Meinung ihrer Partei. „Frauen sollten keine Positionen bekommen, nur weil sie Frauen sind”. Stattdessen ist es ihr wichtig, dass Frauen aktiv angesprochen und angeworben werden.

Das unterstützt Brzezicha nicht. Die Quote sollte ein Instrument sein, um für mehr Gleichberechtigung zu sorgen. „Leider brauchen wir sie momentan, um die ,Kumpel-Clique’ zu durchbrechen”, sagt die Politikerin, hofft aber, dass die Frauenquote irgendwann nicht mehr benötigt wird.

Stefan Seidler positioniert sich ebenfalls pro Quote als temporäres Mittel, um die Rechte der Frauen zu verbessern. Dennoch wünscht er sich einen anderen Idealfall: „In Skandinavien ist Gleichstellung keine Frage mehr”.

Laut Habeck bringen Selbstverpflichtungen von Unternehmen, mehr Frauen einzustellen, nur wenig. Deshalb ist er der Meinung, dass wir die Quote brauchen.

Senkung des Wahlalters

„Sehr gut, das wollen wir als Partei”, erklärt Brzezicha, wenn es um das Wahlrecht ab 16 geht. Die Jugend sollte eigene Ideen und Vorstellungen mit in die Politik einbringen können. Sie zeigen, dass sie sich engagieren und interessieren.

Das unterstreicht auch der SSW-Politiker: „Die Stimme der Jugend muss wahrgenommen werden”. Zusätzlich müsse aber auch der Politikunterricht an den Schulen angepasst werden.

„Ich bin mir sicher, dass es kommen kann”, erklärt Habeck. Die Älteren hätten gesehen, wie reif die Jugend ist, und deshalb wird der Grünen-Politiker eine Absenkung des Wahlrechts unterstützen.

Anders sieht das Petra Nicolaisen. Sie unterstützt das Wahlrecht ab 18. Sollte das Wahlalter dennoch gesenkt werden, „dann müsste man auch sämtliche andere Rechte und Pflichten anpassen”.

Welche Partei würden sie wählen, wenn es Ihre nicht gäbe?

Eine Frage, die kein Politiker gerne beantwortet. Dennoch haben sich die Spitzenkandidaten eine Antwort abringen können.

„Ich würde eine ähnlich konservativ gelagerte Partei wählen”, erklärt Nicolaisen und nennt die FDP.

Seidler und Brzezicha waren sich auch hier einig und nannten die Grünen. Beide finden die Ideenansätze der Partei gut.

Nach langem Überlegen antwortet auch Robert Habeck: „Dann würde ich wahrscheinlich den SSW wählen.” Das begründet er mit dem Wunsch, den Norden voranzubringen.

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