Direkte Demokratie in Hamburg Verfassungsgericht stoppt Volksbegehren „Rettet den Volksentscheid“

Von dpa | 13.10.2016, 11:50 Uhr

Klare Ansage des Verfassungsgerichts: Es gibt eine Grenze für Volksiniativen. Sonst geriete die Demokratie in Gefahr.

Das in Hamburg geplante Volksbegehren „Rettet den Volksentscheid“ ist nicht zulässig. Der Gesetzesentwurf der Initiative verstoße gegen das Demokratieprinzip, erklärte das Landesverfassungsgericht am Donnerstag. Das Übergewicht der parlamentarischen Gesetzgebung dürfe nicht in Frage gestellt werden. Die Entscheidung erging einstimmig.

Die Initiative hatte unter anderem gefordert, dass Verfassung und Wahlrecht sowie Gesetze zu Volksabstimmungsverfahren künftig nur mit Zustimmung des Volkes geändert werden dürfen. Außerdem sollten die notwendigen Quoren, also die Mindestanforderungen an die Beteiligung, gesenkt werden. Der Senat hatte die Rechtmäßigkeit der Initiative bezweifelt und im vergangenen März das Verfassungsgericht angerufen.

Manfred Brandt von der Initiative äußerte sich enttäuscht: „Damit habe ich so nicht gerechnet. Das ist die Heiligsprechung der Parteiendemokratie.“ Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) sagte dagegen: „Natürlich freut es mich, dass die Vorrangstellung der parlamentarischen Demokratie bestätigt worden ist.“ Sie betonte zugleich, dass die Hamburger Verfassung bereits starke Beteiligungsmöglichkeiten für Volksinitiativen vorsehe. 

Fragen und Antworten zur Volksinitiative:

Mehr Informationen:

FAQ Volksentscheid Hamburg


Was forderte die Volksinitiative?


Die Initiative „Rettet den Volksentscheid“ hatte gefordert, dass Verfassung und Wahlrecht sowie Gesetze zu Volksabstimmungsverfahren künftig nur mit Zustimmung des Volkes geändert werden dürfen. Außerdem sollten die notwendigen Quoren, also die Mindestanforderungen an die Beteiligung, gesenkt werden.


Was will der Senat?


Der Senat sagte, Teile des Gesetzentwurfes der Initiative seien gestrichen, geändert oder ergänzt worden, nachdem die erste Hürde von 10.000 Unterschriften schon übersprungen war. Unterm Strich sei die Grenze der zulässigen Überarbeitung des ursprünglichen Entwurfs überschritten.


Was sagte die Initiative dazu?


„Alles Quatsch“, sagte Manfred Brandt von dem Verein „Mehr Demokratie“. Die Überarbeitung sei zulässig, weil die grundlegenden Ziele des Gesetzentwurfes nicht verändert worden seien.


Warum haben sich Senat und Initiative über niedrigere Quoren gestritten?


Der Senat glaubt, dass die Quoren - also die Mindestbeteiligung als Hürde für die Gültigkeit einer Abstimmung - nach dem Willen der Initiative so weit gesenkt werden sollen, dass eine kritische Mindestgröße unterschritten würde. Das stelle die demokratische Legitimation der Entscheidung in Frage.Die Initiative hält dagegen Quoren für gänzlich verzichtbar, hat aber in ihrem Gesetzentwurf ein Quorum benannt. Dieses leite sich ab von der vorgeschriebenen Mindestanwesenheit von Bürgerschaftsabgeordneten bei Abstimmungen über Gesetze, sagt Brandt. Ohnehin sei die Debatte vorgeschoben, „weil man möglichst wenige Volksabstimmungen will“.Die Parteien als bisherige Träger der Demokratie hätten seit den 1990er Jahren die Hälfte ihrer Mitglieder verloren. Damit schwinde auch das Vertrauen in die Demokratie. Unterm Strich geht es hier auch um eine Machtfrage, um eine neue Verteilung der Macht zwischen Parteien und Volk.


Warum hat sich die Volksinitiative gebildet?


Auslöser war im Mai 2015 die Verfassungsänderung, mit der Bürgerschaftsreferenden von Senat und Bürgerschaft ermöglicht wurden. Mit diesen neuen Regeln kann der Senat nach Ansicht der Initiative Volksinitiativen „von oben torpedieren“. Der Senat bestreitet das. Hintergrund war die vom Senat angestrebte Volksabstimmung über eine Olympiabewerbung.


Wie weit war die Volksinitiative fortgeschritten?


Die Initiative hatte Ende September 2015 deutlich mehr als die notwendigen 10.000 Unterschriften vorgelegt und ihre Gesetzesvorlage im März 2016 überarbeitet. Ursprünglich wollte die Initiative für die zweite Stufe des Volksgesetzgebungsverfahrens, das Volksbegehren, vom 30. Mai bis zum 19. Juni die dafür notwendigen rund 65.000 Unterschriften sammeln. Dieser Plan wurde durch die Anrufung des Verfassungsgerichts gestoppt.

TEASER-FOTO: Redaktion