ARD-Sonntagskrimi : Nach Magerkost 2017: Was „Tatort“-Zuschauer 2018 erwartet
2018 wird es Abschiede wie Neuzugänge in der „ewigen“ Krimireihe geben. Die Quoten veranlassen zum Nachdenken.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag lief der letzte „Tatort“ des ausklingenden Jahres. Es war ein Jahr, in dem die Begeisterung für die mehr als 40 Jahre alte TV-Reihe weiter abschwoll. Der Kundenstamm der immergrünen Krimireihe schrumpft. Denn nicht nur jener Weimar-Krimi am 26. Dezember – der immerhin mit Stars wie Nora Tschirner, Christian Ulmen und Jürgen Vogel aufwartete – machte eine Bauchlandung bei den Quoten. 5,92 Millionen Menschen schalteten ein, das klingt viel, ist aber der Negativrekord im laufenden Jahrzehnt.
Mit etwa 8,91 Millionen Menschen pro Erstausstrahlung sahen etwa 100.000 Zuschauer weniger zu als noch im Vorjahr. 2015 waren es noch rund 9,5 Millionen. Zu viele Experimente, zu klischeehafte Geschichten, sinnfreie Handlungen, zu eindeutige Mörder, zu teure Produktionen, eine allgemein auserzählte Reihe oder eine allgemeine Abkehr vom Fernsehkrimiformat? Diese Fragen müssen sich die Macher stellen. Eine erste Antwort auf das Boom-Ende wird ein Stückweit das Jahr 2018 bringen. In der Übersicht erfahren Sie, was Sie erwarten können.
Neujahrstatort aus Saarbrücken

Am Neujahrstag geht es los mit einem Saarbrücker Fall: „Mord Ex Machina“. Es ist der vorletzte Krimi des Saarländischen Rundfunks mit Devid Striesow alias Stellbrink. 2019 wird abgewickelt.
Ein letztes Mal Kopper

Beim Ludwigshafen-„Tatort“ hört am 7. Januar nach 21 Jahren der Schauspieler Andreas Hoppe auf – er war Kommissar Mario Kopper an der Seite der dienstältesten „Tatort“-Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts). Der letzte „Tatort“ mit Kopper trägt seinen Namen. Der Italiener gerät in den Fokus der Mafia, als er einem Jugendfreund helfen will.
„Die Faust“ aus Wien

Am 14. Januar sollen „der Moritz“ und „die Bibi“ in Wien für Recht und Ordnung sorgen. Die Kommissare Eisner (Harald Krassnitzer) und Fellner (Adele Neuhauser) bekommen es diesmal mit einem absoluten Profikiller zu tun. Einmal mehr schwingt in Wien die Ohnmacht mit.
Höfels' Dresdner Abschied mit „Déjà-vu“

2018 gibt es noch weitere Abgänge: In Dresden steigt Alwara Höfels (l.) als Ermittlerin Henni Sieland aus. Im Krimi „Déjà-vu“ am 28. Januar ist sie aber noch zu sehen. Ein letzter - sechster - Krimi mit ihr an der Seite von Karin Hanczewski und Martin Brambach soll dann im Mai gezeigt werden. Für Höfels neu ins Team kommt Cornelia Gröschel. Höfels begründete den Abschied von dem MDR-Team so: Bei Verbleib sei ihre Verantwortung als Künstlerin „gefährdet“.

Die aus den Wende-Filmen „Willkommen bei den Honeckers“ und „Honigfrauen“ bekannte Schauspielerin Cornelia Gröschel dockt beim Leipziger „Tatort“ an.
Abschied auch in Köln

In Köln verschwindet Assistent Tobias Reisser, den Patrick Abozen (Mitte) spielte. Er war als Nachfolger der langjährigen, Anfang 2014 dann im Krimi getöteten, Assistentin Franziska (Tessa Mittelstaedt) angelegt. Im nächsten Kölner „Tatort“ mit Ballauf und Schenk am 21. Januar, der den Titel „Bausünden“ (21. Januar) trägt, ist Abozen aber nochmal dabei.
Tollwut und ein neuer in Dortmund

In Dortmund stieg vergangenes Jahr der Schauspieler Stefan Konarske als Kommissar Daniel Kossik aus. Die nächste Folge „Tollwut“ mit dem seelisch schwer geplagte Chefermittler-Zyniker Peter Faber (Jörg Hartmann) ist für den 4. Februar angekündigt. An der Seite von Hartmann, Anna Schudt und Aylin Tezel muss nun der Hamburger Schauspieler Rick Okon in seiner Rolle die provokant-derben Sprüche seines Vorgesetzten ertragen. In dem Fall erklärt ein lebendiger Mann den Ermittlern, dass er ermordet wurde.
Der 28-jährige Okon hat bereits einige „Tatort“-Erfahrung vorzuweisen – etwa 2016 als Mörder im Kölner Krimi „Kartenhaus“. Was das Drehbuch für ihn in Dortmund genau vorsieht, lässt der WDR noch offen – „um den Zuschauerinnen und Zuschauern nicht die Spannung zu nehmen (beziehungsweise nicht zu spoilern)“. Okon soll aber nicht nur ein Gastspiel haben, sondern werde mehrere Folgen lang dabei sein.

Rick Okon wird Tatort-Darsteller.
Auf eine „kalte Fritte“ in Weimar

Titel wie „der kalte Fritte“ am 11. Februar 2018 verdeutlichen: Bei Nora Tschirner und Christian Ulmen geht der Bösewicht nicht ohne Skurrilität ins Kittchen. Als Ermittlerduo und Pärchen Dorn/Lessing sind die Schauspieler mit ihrer von Poesie getragenen Krimigroteske in Weimar unterwegs. Ob das Quotentief am zweiten Weihnachtstag am unterhaltsamen Gesamtkonzept etwas ändern wird, ist ungeklärt.
Borowski wieder Solo

In Kiel bekommt nach dem Abschied von TV- und Kinostar Sibel Kekilli („Game of Thrones“, „Gegen die Wand“) Axel Milberg als Borowski bald die Schauspielerin Almila Bagriacik als Sidekick. Ihr Rollenname: Mila Sahin. Zunächst ermittelt Borowski aber allein, so am 25. Februar, wenn er ins „Land zwischen den Meeren“ zitiert wird. Auf der fiktiven Insel/Hallig Suunholt nahe der dänischen Grenze trifft er auf die Schauspielerin Christiane Paul, die Insulanerin Famke Oejen spielt. Regisseur Sven Bohse („Ku’damm 56“) ließ sich bei der Schaffung dieser Inselwelt von Theodor Storm inspririeren.
Makatsch kehrt wieder

Der Südwestrundfunk (SWR) dreht derweil ein zweites „Tatort“-Special mit Heike Makatsch als Ellen Berlinger, der diesmal in Mainz spielt, nachdem der erste Fall 2016 in Freiburg angesiedelt war. Doch dort spielt ja jetzt der neue Schwarzwald-„Tatort“.
In der Schublade des SWR wartet zudem noch ein zweiter Impro-„Tatort“ des Regisseurs Axel Ranisch auf seine Ausstrahlung. Der erste Lena-Odenthal-Tatort von Ranisch mit Laiendarstellern – „Babbeldasch“ – befeuerte Ende Februar 2017 die Debatte um zu viele Experimente. Die „Bild“ nannte ihn den „schlechtesten 'Tatort' aller Zeiten“.
Ein Levy aus Zürich

Reto Flückiger (Stefan Gubser, r.) und Liz Ritschard (Delia Mayer, l.) machen der Schweiz die fiktiven Mörder ausfindig.
Apropos Experimente: eine echte Innovation, nämlich einen komplett am Stück – also ohne Schnitt – gedrehten Echtzeit-„Tatort“, bietet bald das Schweizer Team. Der Film mit dem Arbeitstitel „Alte Männer sterben nicht“ wurde inszeniert vom Filmemacher Dani Levy („Alles auf Zucker!“). Es geht um einen Mord während eines Benefizkonzerts im Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL). Viermal wurde der Stoff mit Stefan Gubser und Delia Mayer alias Kriminalkommissare Reto Flückiger und Liz Ritschard hinuntergedreht – zweimal auf Hochdeutsch, zweimal auf Schweizerdeutsch. Die Arbeitsweise erinnert an den 2015 gefeierten 140-Minuten-Berlin-Film „Victoria“ von Sebastian Schipper.
Murot gegen das Murmeltier

Ob sich die von ARD-Oberen angekündigte Beschränkung auf nur noch zwei experimentelle „Tatorte“ pro Jahr bereits 2018 auswirkt, könnte sich am nächsten Fall von Ulrich Tukur zeigen. Seine Ausstrahlung war gegen Ende 2018 vorgesehen. Der HR-Film ist wieder ungewöhnlich für einen Sonntagskrimi. Der Arbeitstitel lautet „Murot und das Murmeltier“ und erinnert auch inhaltlich an die Zeitschleifenkomödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“ mit Bill Murray.
Til Schweiger findet den „Polizeiruf“ besser

Was macht eigentlich Til Schweiger? Nachdem es das ganze Jahr 2017 keinen einzigen Hamburger „Tatort“ mit seinem Action-Ermittler Tschiller gab, und die Hansestadt nur am Rande in den NDR-Krimis mit Wotan Wilke Möhring vorkam, ist für 2018 die TV-Ausstrahlung von „Tschiller: Off Duty“ angekündigt. Im Kino war dieser Film für Schweiger-Verhältnisse ein Flop, die Einschaltquote im Fernsehen dürfte dann aber bald stimmen.
Der „Bild am Sonntag“ sagte Schweiger kürzlich, er freue sich, 2019 weiter zu drehen: „Nach dem Kino-'Tatort' kann man die Action nicht mehr hochschrauben. Es gibt aber eine Idee für eine erste Folge und wie sich die Geschichte über drei Teile entwickeln kann. Dafür habe ich mir das Team gewünscht, das hinter dem 'Polizeiruf 110' aus Rostock steckt, für mich übrigens der beste 'Tatort!'“
„Warum hast Du mir nicht gesagt, dass Du zwei Beine hast?“

Kommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) steigt aus – eine Szene des Krimis „Polizeiruf: Sumpfgebiete“.
Die These, dass der „Polizeiruf 110“ womöglich der bessere „Tatort“ sei, vertreten einige. Beim Kritikerliebling Münchner „Polizeiruf“ steht 2018 allerdings der Ausstieg von Matthias Brandt als Hauptkommissar Hanns von Meuffels an – nur noch zwei Fälle sind mit ihm zu sehen. Zunächst der Film „Das Gespenst der Freiheit“ von Jan Bonny („Polizeiruf 110: Der Tod macht Engel aus uns allen“, „Über Barbarossaplatz“). Den letzten und 15. Fall mit Brandt soll dann im Frühjahr der Regisseur Christian Petzold drehen, der bereits die Fälle „Kreise“ (2015) und „Wölfe“ (2016) verantwortete. Auch Barbara Auer soll dann wieder dabei sein. Der Arbeitstitel ist verrückt: „Warum hast Du mir nicht gesagt, dass Du zwei Beine hast?“
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